strafplanet erde: ernesto oder kurt?
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von DIETRICH ZUR NEDDEN

Ein Film muss wie jedes Produkt verkauft, nein, „am Markt positioniert“ werden, wie ein Second Assistant Public Relations Manager sagen würde, und wer das nicht einsieht, dessen Tauglichkeit fürs tägliche Rattenrennen muss erheblich modernisiert werden. Es ist also nicht weiter verwunderlich, ja kaum erwähnenswert, wenn auf dem Titel des journalistischen Juwels rtv, dem kostenlosen „Fernsehmagazin Ihrer Zeitung“, ein Schloss zu sehen und im Schlossteich zu lesen ist, dass Kurt Tucholsky in dem Film „Gripsholm“ mit seiner „Prinzessin“ einen „unvergesslichen Urlaub“ in Schweden erlebe. „Das können Sie auch! Gewinnspiel auf S. 4“.

Ein „Super-Reiserätsel“ in der Bild am Sonntag ein paar Wochen vorher fällt mir ein. Eine Reise nach Kuba konnte gewinnen, wer unter anderem wusste, wie der „nach Castro berühmteste Revolutionär mit komplettem Namen“ hieß. Für BamS-Leser keine besonders schwierige Frage, hatten doch einige Verehrer dieses nach Castro berühmtesten Revolutionärs einst das Springer-Hochhaus gestürmt oder angezündet oder in die Luft gesprengt, irgendwie sowas. Siebzehn Kästchen standen für die Antwort bereit, mussten mit Buchstaben gefüllt werden, und nicht etwa mit irgendwelchen, sondern mit den richtigen. „Che Guevara“ reichte da nicht. Sicherheitshalber fand sich der Vorname im Lauftext, so dass dem „All inclusive“-Urlaub nichts mehr im Wege stand.

Was würde nun rtv mit Tucholsky machen? Jau, Seite 4, da steht die Preisfrage auch schon, ist im Kasten, muss jetzt nur noch richtig beantwortet werden, dann folgt „eine Woche in Südschweden“, quasi der „Traumurlaub“ im „Land der Seen“. Vorher aber den Text lesen, der dem „Kultautor, Zyniker und Humanisten“ gewidmet ist, dem „legendären Querdenker“, hinter dessen „federleichter Sommergeschichte“ sich eine „bittere Wahrheit“ verbirgt, nämlich Tucholskys schwedisches Exil seit 1929. „Sechs Jahre später beging er Selbstmord.“ Alles klar. Aber wie war die Frage noch mal? Wir wollten doch die Reise gewinnen, gestiftet vermutlich von der „Schweden Werbung“, die jedenfalls die malerischen Fotos zur Verfügung stellte. Die Preisfrage lautet: „Welcher Autor steht im Mittelpunkt von ‚Gripsholm‘?“ Eile und Ungeduld wären jetzt völlig verfehlt. Klar, man könnte einfach „Tucholsky“ oder zumindest „Ernesto Che Guevara“ sagen. Aber rtv bietet mehr, rtv bietet drei Namen an: Hermann Hesse, Kurt Tucholsky und Heinrich Heine, also gleich drei Autoren, die ins Exil gegangen sind.

Wer schreibt, der bleibt. Aber wie und wo und als was er bleibt, das bleibt auch, und zwar der Nachwelt überlassen, das entscheiden Sie und Ihre Second Assistant Public Relations Manager. An irgendeiner Stelle, doch nicht in der BamS noch im rtv-Fernsehmagazin, schreibt Kurt Tucholsky einmal an Siegfried Jacobsohn, den Herausgeber der Weltbühne, den Satz: „Erfolg ist immer ein Missverständnis.“ Und Jacobsohn schrieb: „Ach, warum gibt es nicht dieses herrliche Land ohne seine Bewohner?“ Schweden oder Kuba war damit auf jeden Fall nicht gemeint.