Stadtneurosen zwischen Steaks und wahrem Leben

Eine Dokumentation besucht die Schauplätze der Woody-Allen-Film-Welt: Uptown New York mit teuren Restaurants, Galerien, Swingjazz und Midlife Crisis. Und zeichnet dabei leichthändig ein persönliches Porträt des Filmemachers (Woodys Welt. Neurosen aus New York, 22.30 Uhr, WDR)

„Also gut – was macht das Leben lebenswert? Groucho Marx, Willie Mays, der zweite Satz der Jupiter-Symphonie, Louis Armstrong, die Aufnahme von Potatohead Blues, schwedische Filme, die ‚Erziehung des Herzens‘ von Flaubert, Marlon Brando, Frank Sinatra, die unglaublichen Äpfel und Birnen von Cézanne, die Hummerkrabben bei Sam Wo, Tracey Gesicht ...“

Dieses Zitat aus „Manhattan“ bringt die Welt Woody Allens auf den Punkt. Es ist eine Uptown-Manhattan-Welt, die zwischen Galerie und Museumsbesuchen, zwischen Literatur, Essengehen und Kinobesuchen versucht, die eigene Midlife-Crisis in den Griff zu bekommen, und das möglichst mit dem Humor der Marx Brothers und der Tiefe eines Ingmar Bergmann.

Anlässlich Allens 65. Geburtstag am 1. 12. bereiste der deutsche Dokumentarfilmer Matthias Kremin die Originalschauplätze des Regisseurs in New York. In parallel montierten, mit Allen-Zitaten (gesprochen von seiner deutschen Synchronstimme) unterlegten Bildern werden Filmszenen und Realität verglichen, und man sieht: Kino und wahres Leben unterscheiden sich kaum. „Ich hasse die Wirklichkeit, aber sie ist der einzige Ort, wo man ein vernünftiges Steak bekommt.“ Kremin besuchte das Restaurant „Elaine’s“, den Ausgangspunkt von „Manhattan“, wo täglich ein Tisch für den Künstler freigehalten wird. Oder „Carnegie“, das wohl bekannteste Deli. Seit den Dreharbeiten zu „Broadway Danny Rose“ wird dort ein riesiges „Danny Rose Special Sandwich“ serviert. „Merkst du nicht, wie der Rest des Landes nach New York stiert, als wäre wir alle linksradikalkommunistischjüdischhomosexuelle Pornografen?... dass das Land nicht bereit ist, sich hinter die Stadt New York zu stellen, ist nichts als Antisemitismus ...“ Nur Woody Allen, der als Allen Stewart Königsberg im jüdischen Teil Brooklyns aufgewachsen ist, kann sich so über den Verfolgungswahn amerikanischer Juden lustig machen.

„Als ich ein Kind war, hörte man die berühmte Popmusik von Benny Goodman.“ Allens Liebe zur Jazzmusik ist legendär. Für die montägliche Session mit dem New Orleans Funeral and Ragtime Orchestra ließ er sogar einmal die Oscar-Verleihung ausfallen. In seinem Film „Stardust Memories“ spielte die wunderbare Duke-Ellington-Band auf, in Kremins Dokumentation schwärmt einer der Musiker von seiner Beziehung zu dem Filmemacher und seiner Leidenschaft zu den Swing- Klassikern, die in nahezu allen seinen Filmen zu hören sind. Auch der Schauplatz New York ist in fast allen Filmen gleich. Doch es ist nicht ganz New York. Es ist noch nicht einmal ganz Manhattan. Es ist eine Gesellschaft, die sich in der Upper East Side, der Upper West Side und in Brooklyn Hights abspielt. Diese exklusiven Orte werden in Kremins stimmungsvoller Doku vorgestellt, ihre persönlichen Geschichten erzählt. Wer wissen möchte, was das Hotel 17 und der Late-Night-Talkmaster Conan O’Brian über Woody Allen sagen, der schaue sich „Woodys Welt“ an. Wer eine Liebeserklärung an New York sehen will, sowieso. ALF IHLE