die stimme der kritik
: Betr.: 25 Lärchen in Nordbrandenburg

Endlich gibt es den verfassungsgemäßen Wald

Auch Lärchen können etwas bedeuten. Und wenn sie nur ein Symbol der Hilflosigkeit sind.

Hilflos war der Förster vor Ort, der zwanzig Journalisten mit einem Paradox verwirrte: „Wir wollten Ihnen zeigen, dass nichts zu sehen ist.“ Und für dieses Nichts waren zwanzig Reporter extra nach Nordbrandenburg gereist! Genauer: nach Zernikow.

Hilflos war auch der Kommentar des zuständigen Pressesprechers: „Das ist eine Prestigefrage für den Brandenburger Wald.“ Doch wie könnte das Ansehen der märkischen Kiefer je beschädigt werden?

Hilflos war schließlich das Anliegen an sich, das eine Nachrichtenagentur zusammenfasste: „Jetzt soll der Brandenburger Wald aus der Luft endlich verfassungsgemäß aussehen.“ Bäume als Verfassungssünder – das wäre ein wirklich neues Ermittlungsfeld für die Bundesanwaltschaft.

Doch gibt es nicht viel zu ermitteln; die Fakten sind übersichtlich: Fest steht, dass 1938 in Zernikow insgesamt 57 Lärchen in der symbolischen Form eines Hakenkreuzes gepflanzt wurden. Wahrscheinlich waren es völkisch inspirierte Förster. Sie selbst sind längst tot, und auch sonst bemerkte niemand ihr Werk. Denn das Hakenkreuz ist nur aus der Luft zu sehen – und auch das nur im Frühjahr oder Herbst, wenn die Lärchen erst hellgrün, dann braun zwischen den Kiefern herausleuchten.

So waren die 57 Lärchen lange ein Symbol, das die meiste Zeit keines war. 1992 änderte sich dies von einem Augenblinzeln zum nächsten: Es war ein ministerialer Praktikant, der auf einem Luftbild das Hakenkreuz entdeckte.

Seitdem waren die 57 Lärchen ein Politikum. Bis die Kettensäge kam. 25 von ihnen wurden gefällt. Zwei Schenkel des hellgrünen (oder braunen?) Hakenkreuzes sind zerstört.

Zerstört ist damit das Symbol für den Nationalsozialismus. Zurück bleibt ein Symbol der Hilflosigkeit: 25 gefällte Lärchen, die so bedrohlich waren, dass sie sterben mussten.

Bedrohlich waren sie wohl für die Regierung in Potsdam. Eine Nachrichtenagentur knapp: „Um Berichte über das Nazirelikt im ohnehin von Neonazi-Schlagzeilen geplagten Brandenburg zu verhindern, entschloss sich das Forstministerium zum Handeln.“

Bedrohlich waren die Lärchen aber auch tatsächlich: Weil ihr Hakenkreuz nicht die Vergangenheit symbolisierte, sondern eine gefährliche Neo-Gegenwart.

Dumm nur, dass die Fällaktion daran nichts ändern kann. ULRIKE HERRMANN