Moskau bestraft Georgien

Russland hat gegenüber Georgien einseitig die Visumspflicht eingeführt. Angeblich sei Tblissi nicht in der Lage, die Grenze zu Tschetschenien zu kontrollieren. Georgien bewertet den Schritt als Antwort auf die Ablehnung einer russischen Militärpräsenz

aus Moskau ROMAN BERGER

Das Reisen ohne Visum in den Republiken der Ex-UdSSR ist für ehemalige Sowjetbürger eine der wenigen positiven Errungenschaften, welche die sonst lethargische Gemeinschaft der unabhängigen Staaten (GUS) seit ihrer Gründung im Jahre 1991 zustande gebracht hat. Jetzt führt die russische Regierung gegenüber dem Nachbar Georgien die Visumspflicht ein.

Moskau behauptet, Georgien sei nicht in der Lage, die rund 80 Kilometer lange gemeinsame Grenze mit Tschetschenien zu kontrollieren. Duch diese poröse Stelle gelangten Söldner und Waffen aus dem Ausland in die abtrünnige Kaukasusrepublik. Die über den Kaukasus führenden Gebirgspfade können nicht hermetisch abgeriegelt werden.

Doch Transporte im größeren Umfang sind nicht möglich. Die Grenze wird zudem von georgischen und russischen Truppen bewacht. Zusätzlich befinden sich im gleichen Raum Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die vor einem Jahr an die georgisch-russische Grenze entsandt wurden. Damals drohte die Gefahr, dass Georgien in den Krieg Moskaus gegen Tschetschenien hineingezogen werden könnte.

Moskau forderte vor einem Jahr, Truppen auch auf georgischem Territorium zu stationieren. Mehrmals beschossen russische Helikopter georgische Grenzdörfer. Doch trotz dieser Angriffe ließ sich Tblissi nicht einschüchtern. „Wir können keine fremden Truppen auf unserem Territorium dulden, schon gar nicht, wenn sie den Auftrag haben, andere Menschen zu töten“, erklärte Georgiens Präsident Schewardnadse die Position seines Landes.

Die Einführung der Visapflicht wird jetzt in Tblissi als Rache für die entschiedene Ablehnung der russischen Forderung gesehen. Wen trifft die Maßnahme? Die tschetschenischen Kämpfer, die sich noch immer mit den russischen Truppen in den Bergen Gefechte liefern, werden weiter ihre Schlupflöcher finden.

Betroffen sind vor allem die rund 500.000 Georgier, die in Russland leben und arbeiten. Sie unterstützen das georgische Nationalprodukt mit 600 bis 700 Millionen Dollar pro Jahr, ein Mehrfaches des bescheidenen georgischen Staatshaushaltes. Die Visumspflicht wird die angespannte wirtschaftliche und soziale Lage in Georgien noch verschlechtern.

Aserbaidschan, die Ukraine, aber auch das mit Russland eng verbündete Armenien haben Moskaus Vorgehen offen als Rückschritt kritisiert. Sie befürchten, sie könnten die nächsten Opfer sein. Die russische Regierung sieht die Einschränkung als „zeitlich beschränkte“ Maßnahme.

Georgien hingegen hat Angst, die Visumspflicht sei nur Teil einer umfassenderen Einschüchterungsstrategie. So weigert sich Moskau, seine Militärbasen in Georgien aufzulösen, obwohl das auf dem OSZE-Gipfeltreffen in Istanbul 1999 vereinbart wurde. Der Kreml sieht mit Misstrauen, wie sich die Kaukasusrepublik als Exportroute für das im kaspischen Meer gewonnene Öl Richtung Westen anbietet. Und im vergangenen Jahr verkündete Schewardnadse, sein Land sei in fünf Jahren bereit, Mitglied der Nato zu werden. Für solche Träume hat man aber in Moskau kein Verständnis.