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Im Winter Wohnverbot

Der Umweltverband GÖP will aus dem letzten Vordeichs-Bauernhaus ein Auen-Informationszentrum machen  ■ Von Gernot Knödler

Es gibt noch verborgene Kleinode in Hamburg. Mitten im Naturschutzgebiet Heuckenlock, versteckt hinter Bäumen und Büschen, geschützt durch einen Wassergraben, steht das letzte Außendeichs-Bauernhaus der Hansestadt. Die Wilhelmsburger nennen es die „Wasserburg“. Seit anderthalb Jahren steht das denkmalgeschützte Ensemble aus Ziegeln und Fachwerk leer und verfällt. Jetzt zeichnet sich ab, dass der Umweltverband Göp (Gesellschaft für ökologische Planung) den ehemaligen Hof übernehmen und in ein Naturschutz-Zentrum umwandeln kann. Gestern trafen sich Göpler und Leute vom Heimatverein mit VertreterInnen der Liegenschaftsverwaltung zum Ortstermin.

„Wir haben schon länger überlegt, ein Auen-Zentrum einzurichten“, sagt der Göp-Vorsitzende Jens Kerstan. „Dafür bietet sich die Wasserburg an.“ Denn das ehemalige Kötnerhaus, der Hof eines mittelgroßen Bauern, liegt in einem der bedeutendsten Naturschutzgebiete Europas, einem Tide-Auenwald, der nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt ist wie das Mühlenberger Loch.

Ebbe und Flut, Eis und Sturm können hier vor dem Deich ungehindert ihr zerstörerisches Werk verrichten. Im Winter steigt das Wasser hier so hoch, dass nur noch die Kronen der Bäume aus dem Wasser ragen. Der Kötner-Hof liegt deshalb auf einer Wurt oder Warft, die in ihrer jetzigen Form vor mindestens zweihundert Jahren aufgeschüttet wurde und gegenüber dem 8,50 Meter hohen neuen Deich ganz mickrig wirkt. Bei jeder Sturmflut bricht das Wasser ins Erdgeschoss ein.

„1994 stand das Wasser bis hier“, sagt Karl-Heinz Kötteck von der Liegenschaftsverwaltung und zeigt auf einen markierten Ziegel in Höhe seines Kopfes. Die Gasheizungen im Erdgeschoss hängen alle einen halben Meter hoch, damit sie nicht gleich voll Wasser laufen. Früher trugen die BewohnerInnen ihre Möbel in den ersten Stock. Heute darf hier im Winter keiner mehr wohnen. „Wir haben mit ganz vielen Investoren hier gestanden und geguckt“, erinnert sich Kotteck. Keiner wollte kaufen. Die Autobahn, keine hundert Meter entfernt, gibt dem Idyll den Rest.

Den Verwaltungsmenschen freut es deshalb besonders, dass die HEW-Umweltstiftung der Göp jetzt 440.000 Mark zugesagt hat. 240.000 Mark davon fließen direkt in das Auenwald-Projekt, der Rest geht in die Sanierung des Kötner-Hofes. Denn der sieht schlimm aus: Alle Scheiben sind eingeworfen, die alten Möbel verschwunden, und in der Stube neben der Küche hat jemand die wertvollen Delfter Kacheln von den Wänden geschlagen.

Zusammen mit 10.000 Mark von der Agnes-Graefe Stiftung, mit denen das Haus winterfest gemacht wird, haben die Umweltschützer knapp die Hälfte des Geldes für die Sanierung und Ausstattung beisammen. Für die restlichen 240.000 Mark suchem sie noch Spender. Bis dahin behält die Liegenschaft die Hand auf dem Hof.

Die Göp betreibt auch das Naturschutz-Informationshaus in der Boberger Niederung und ist dort unter 739 31-267 zu erreichen.

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