„Ich bin Prediger!“

■ Surrogat wollen alles. Sänger Patrick Wagner erklärt, warum

Kann eine Band, die nie einen Viervierteltakt spielt, in die schwere Rotation des Musikfernsehens rutschen und mehr als 2.000 Platten verkaufen? Sind das Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“, das Titelblatt der „Spex“ und ein Auftritt bei „Rock Am Ring“ drei miteinander zu vereinbarende Dinge für eine Band, die so ganz und gar nicht nach allem klingt, was derzeit hip, erfolgreich und en vogue ist?

Der Gitarrist und Sänger der Berliner Noise-Rock-Band „Surrogat“ ist sich da ganz sicher. Aber der unterschreibt seine E-Mails auch immer mit Patrick g.a.G. Wagner – die drei mittleren Buchstaben stehen übrigens für „größer als Gott“. „Ich bin Prediger, ich will eine Ansprache halten“, das war laut Wagner die wesentliche Vorgabe für „Rock“, das aktuelle Surrogat-Album. Der Anlass: „In der Rock- und Pop-Musik gibt es zurzeit Leute wie Beck und Robbie Williams oder auch Acts auf unserem Label, wie Peaches und Gonzales, bei denen es nie klar ist, worum es geht, die sind einfach nur da und wollen genommen werden. Und ich denke, dass das ein zu niedriger Anspruch ist. Surrogat ist nicht nur Musik-Musik, sondern Welt verändern, etwas bewegen, Sachen aufdecken.“

Das erwähnte Label ist Kitty-Yo, vor einer halben Ewigkeit von Wagner und einem Freund gegründet, um die Platten von Surrogat zu veröffentlichen. Warum veröffentlicht jemand auf seinem Label aber vorwiegend eine Musik, die eigentlich dem formulierten Anspruch nicht entspricht? „'Rock' war auch eine Gegenreaktion auf das Label. Keiner hat damit gerechnet, dass wir so viel Erfolg haben würden. Wir dachten, wir verkaufen vielleicht tausend Platten. Aber genau das Ding, dass wir uns da gewissermaßen gegen das Label gestellt haben, hat es auch gebracht. Auf so was haben viele Journalisten und Hörer gewartet. Dass mal wieder jemand da ist, der rumkackt und auch Fehler macht.“

Die Entscheidung, zum großen Label zu gehen, hält Wagner jedenfalls nicht für einen Fehler. Die Platte hat mittlerweile mehr als 10.000 KäuferInnen (“Über Verkaufszahlen spricht man nicht“) gefunden, was angesichts der eingangs angedeuteten Umstände erstaunlich ist. Auch für Patrick Wagner: „Vor ein paar Wochen stand ich mit Dirk von Lowtzow ('Tocotronic') am Imbiss und wir haben einen getrunken, und da kamen zwei Typen mit so einer bestimmten Haltung auf uns zu, die man kennt, vor allem, wenn man mit Dirk unterwegs ist, und Dirk meinte 'Nicht schon wieder...' und dann sagte der eine zu mir: 'Bist du nicht der Sänger von Surrogat?' So weit ist es jetzt schon...“, lacht Wagner. Andreas Schnell

Surrogat spielen am Freitag im Freizeitheim Friesenstraße