Über die Kunst zu Reisen

■ Ein bildersatter Film zeigt das grandiose „Vienna Art Orchestra on tour“, nämlich auf ihrer Welttournee zum 20jährigen Bestehen

Zweifellos hat sich Regisseur Othmar Schmiderer in die Tränensäcke, Doppelkinne und zerrupften grauen Zöpfe so einiger Musiker vom 15-köpfigen Vienna Art Orchestra verliebt, so oft bestaunt er sie in Großaufnahme bis jede Runzel und Bartstoppel für die Ewigkeit dokumentiert ist. Und nach 102 Minuten lieben wir sie auch: „Du lernst einen Menschen kennen, und wenn du ihn dann spielen hörst, lernst du einen völlig anderen, neuen Menschen kennen“, sagt einer der Musiker dieser 1977 gegründeten Spitzencrew neben dem United Jazz and Rock Ensemble.

Außerdem erzählen sie, dass sie diese kleinen Hotelseifen lieben, dass Hotels aber auch ganz generell wunderbar sind, weil einem dort jemand die Betten macht, und dass das Reisen zur Lebenseinstellung geworden ist. In glückseligen Augenblicken erzählen sie dann auch noch – der eine stockend, der andere euphorisch – von der Einsamkeit, Freundschaft, Wachheit und noch einigen anderen Dingen, die sie in der Musik gefunden haben. Zunächst mag der Zuschauer erstaunt sein, dass die klassischen journalistischen Themen fehlen: so gut wie nichts über Musikerbiografien, Finanzierungsfragen, Musiktheoretisches, Jazzhistorie.

Am Ende ist man heilfroh über die Absenz von Plaudereien. Das macht die Bilder mächtig: endlose Hotelflure, ein Kind an einer blättrigen Fassade, schicke Konzerthallen, muffige Konzerthallen, abartige Fans, resopalverseuchte Probenräume, verwirrte Taxifahrer, nasses Kopfsteinpflaster in österreichischen Käffern, in Vancouver und Paris; und immer wieder diese am Zug-, Bus-, Flugzeugfenster vorbeiziehenden Bäume, Wolken, Autozüge, Straßenschilder, Bäume, Wolken, Autozüge... – bis der Zuschauer selbst das Gefühl hat, unterwegs zu sein und keine lästige Heimat im Nacken zu haben.

Relaxed wie ein Kifferhirn schweift die Kamera zwischen zufälligen Schnappschüssen und genauer Beobachtung der Bläser, Gitarristen, PercussionistInnen etc. hin und her, ebenso wie die Musiker zwischen Improvisation und festgelegter Komposition wechseln. Die Schnitttempi aber sind gerade nicht deckungsgleich mit den Geschwindigkeiten in der Musik. Und wenn der Regisseur zu einem hendrixartigen Gitarrensolo ewig lang einen Balken eines Zugfensters fett diagonal in Bild knallt, kommunizieren Bild und Ton wie zwei alte Kumpel.

Und am Ende kommt man den Musikern so nahe, dass man ihre Socken im Zugabteil riechen und das Wackeln des Ohrrings beim Schlagzeugspielen spüren kann. bk

Im Filmstudio und in der Schauburg