kunsträume in moabit
: Wenn Partyhäppchen kommunizieren

Blumen für die Klo-Ecke

Die jungen Künstler, die am Kiezkunstprojekt in der Rostocker und Wittstocker Straße in Moabit mitwirken, sind weder Vorreiter der Avantgarde noch die Creme der Club-Designer. Sie wollen nur der Korrosion eines Viertels entgegenwirken, das sich neben älterem, auch durch Modernisierung entstandenen Leerstand durch Handyshops, Sanitär- und Schlüsseldienste und Musikcafés auszeichnet. In der sich ständig veränderndenUmgebung dieses Wohnviertels liegt es nahe, die ortsbezogene Konzeptkunst als ein Medium der Sozialkritik zu begreifen. So soll das Transparentmachen ganz banaler Haushaltsvorgänge im Schaufenster der Rostocker Straße 24 Schnittstellen mit den Kiezbewohnern verdeutlichen: Diesbezügliche Reaktionen bekommt dieser Tage die Gruppe „Um Feld“ bereits zu spüren. Ihre Alltagsperformances riefen seitens der Anwohner schroffe Beschwerden über die Lautstärke hervor.

Eine verspielte Alternative zum Status quo bietet auch die Kunstaustauschdienststelle im Spielsalon Venus mit ihrer Blumenrabatten-Installation, die auf dem Weg zum Klo ein wenig Farbe in die durch obligate Kachelung standardisierte WC-Nische bringt. Sehr intim wird’s auch, wenn Julia Großkopf im offenen Atelier der Rostocker Straße 33 ihre kalligrafieähnlichen Zeichnungen präsentiert. Das „Installationsbüro Theben“ wiederum reflektiert in der Auseinandersetzung mit der Iokaste aus den Ödipustragödien des Sophokles die konventionelle Frauenrolle im Arbeiterkiez: Gattin, Mutter, Witwe, und wie so etwas auch durchaus in einer Katastrophe münden kann.

Dagegen setzt die Gruppe monamur an der Huttenstraße auf eine eigentümlich mechanisierte Partyhäppchen-Produktion. Am letzten Freitagabend lief sie unter dem Motto Eat & talk im Schaufenster des Super M als übergreifender Kommunikations- und Partyort. Morgen und am 22. Dezember werden weitere Performances stattfinden.

Eigenartig ist, dass die Szenerie des wieder einer Nutzung zugeführten Leerstandes den Effekt einer zusätzlichen Sensibilisierung mit sich bringt: Selbst von der abgeschotteten Männerdomäne „Hürriyet“, Ecke Beusselstraße, gewinnt man den Eindruck, dass sie irgendwie Bestandteil der Kunstaktion sei. Zurzeit sind es 10 Ladenwohnungen im Bereich Rostocker/Wittstocker Straße, die die Initiatoren des Projekts mit Mitteln des Senatsförderungsprogramms Soziale Stadt angemietet haben. Sie werden hauptsächlich von HdK-Studenten, zu einem nicht geringen Anteil aber auch von Freien für ihre Zwecke genutzt. Die Anlaufstelle der Initiative befindet sich in der „Zentrale Moabit“ in der Wittstocker Straße 4. wo man sich vorab einen Lageplan der bis zum 22. 12. genutzten Kunsträume besorgen kann.

D. MORITZ-HOLLAND