Busstation mit Netzanschluss

Die taz testete das weltweit erste „intelligente“ Wartehäuschen am Potsdamer Platz

Die vielen Menschen und die Kälte konnten mir nichts. Den weltgrößten Weihnachtsbaum habe ich in Dortmund gesehen; die größte Kuckucksuhr irgendwo im Schwarzwald.

   Gestern hörte ich von einem weiteren Superlativ in der Weltgeschichte, und den wollte ich mir anschauen – am Potsdamer Platz: die Weltpremiere des „ersten intelligenten Wartehäuschens“.

Die Erfinder wissen, dass sie übertreiben – und deshalb wählen sie die Verniedlichung im Titel. Auf einem Leuchtband grüßt das Bushaltestellchen: „Fünf Grad, frohe Weihnachten wünscht ihnen die Wall AG“.

Dies ist die Firma, die die Intelligenz mit insgesamt 20 Millionen Mark für die BVG gefördert hat und wartenden Fahrgästen die Zeit vertreibt mit Fahrplänen, einem Surf im Internet und Telefonverbindungen. 500 solcher Intelligenzhäuschen sind in Berlin geplant. Eins kostet 40.000 Mark. Die Firma kann im Gegenzug die Werbeflächen vermieten.

Ich drängle mich vor eine staunende Oma. Das Design der Neuheit soll den Fortschritt demonstrieren. Die Oma fühlt sich durch die beiden „Bildschirm-Terminals“, in ihrer Busfahrroutine gestört.

„Aber angenehm, wie in einer Quizshow“, sagt sie. Das findet sie toll, aber sie fragt sich, „wie lange die schick glänzenden Dinger wohl halten“.

Ich will auch einmal die Weltneuheit testen, die mir vorkommt wie das Cockpit eines Raumschiffs.

Mit leicht zugekniffenen Augen blicke ich in Richtung Dach. Dort sind die Solarzellen montiert, diee die Anlage mit Energie versorgen. Der Start kann losgehen.

Laut rufe ich: „Beam me up!“ Die Leute gucken, was mir unangenehm ist. Ich besinne mich wieder auf die Realität, die von der Praxis bestimmt wird. Aber ich gehe nicht kostenlos ins Internet – zum Beispiel Sexseiten anschauen, E-Mails schreiben, Spielplan des Theaters abrufen et cetera. Ich greife zum Telefonhörer, wähle eine Nummer. Die vorbeifahrenden Autos sind sehr laut. Das ist mir egal, denn ich kann hier umsonst eine Minute lang telefonieren.

Mein Bruder meldet sich. Ich rede drauflos: „Gespräch umsonst, stehe am Potsdamer Platz, im Internet war ich auch und habe die Busverbindung nach Wedding gefunden, war einfach. Die TU Berlin hat das mit entwickelt. Wirklich nett. Nur die Informationen aus den Lautsprechern über das Schloss Charlottenburg habe ich nicht verstanden – zu laut hier.“ Ich lege auf, die intelligente Weltneuheit hat mir gefallen.

ULF SCHUBERT