Börsenchefin statt Bäuerin

Die 34-jährige Christine Bortenlänger ist die Nummer eins am Finanzplatz München

„Ich kann Reifen wechseln und Traktoren fahren.“ Christine Bortenlänger hätte gerne einen Landwirt geheiratet. „Aber ich habe nie den Richtigen kennen gelernt.“ Dass sie keine Hilfe braucht, um Möbel zusammenzubauen, macht sie stolz. „Ich hatte immer den Anspruch an mich, dass ich das selber kann. Da hab ich echten Ehrgeiz.“ Und was hat sie in ihrem Büro an der Bayerischen Börse selbst gemacht? „Ich hänge meine Bilder selbst auf.“ Sie lacht. „Mehr kann man da nicht machen.“

Christine Bortenlänger hat viel gemacht. Eine Banklehre, ein Betriebswirtschaftsstudium, eine Promotion. Und jetzt noch zwei Superlative: Mit 34 Jahren ist sie die jüngste Geschäftsführerin an einer deutschen Börse und bundesweit die erste Frau auf dieser Position. Stellvertreterin war sie bereits seit zwei Jahren, am 1. September wurde sie dem Geschäftsführer Andreas Schmidt gleichberechtigt zur Seite gestellt. Die Beförderung kam für sie unerwartet: „Ich saß platt am Tisch und habe mich unheimlich gefreut“, erzählt sie als Erstes. Dann spricht sie von der großen Verantwortung für den Finanzplatz München und die beteiligten Unternehmen.

Die Bayerische Börse liegt deutschlandweit auf dem dritten Platz hinter Frankfurt und Stuttgart. Um zu überleben, müsse sich eine regionale Börse auf ihre Kunden ausrichten, meint die neue Chefin. „Ich halte nichts von einem Spagat, wie Frankfurt ihn mit dem Xetra-Handel macht, der institutionellen und privaten Anlegern offensteht“, erklärt Christine Bortenlänger. „Der Großmarkt verkauft ja auch nicht einzelne Tomaten an Privatleute.“ Der Blick für das gesamtwirtschaftliche Ganze ist der Börsenchefin wichtiger als ein Detail: „Oft gehe ich abends raus und weiß nicht, wo der Dax steht.“

Ihre ersten hundert Tage im Amt waren turbulent – vor allem durch das Interesse an ihrer Person, „ein Zeichen, dass immer noch sehr wenige Frauen in Führungspositionen arbeiten, da muss noch was getan werden.“ Allerdings nicht in Form von Quoten, sondern durch bessere Rahmenbedingungen für Mütter. „Was wir brauchen, sind längere Öffnungszeiten für Kindergärten und Hortplätze, wo Schulkinder altersgerecht betreut werden.“ Christine Bortenlänger hat selbst einen zwölfjährigen Sohn. Dominik verbringt die Nachmittage bei seiner Oma. „Ich konnte diesen Weg gehen, ohne mich mit schlechtem Gewissen herumzuschlagen.“ Sie überlegt: „Anders würde es nicht klappen.“ Vielleicht habe ihr Sohn ihre Karriere sogar indirekt unterstützt: „Als arbeitender Mutter wird mir Organisationstalent zugetraut.“ TANJA GABLER