DAS ARBEITSVERBOT FÜR ASYLBEWERBER WIRD ENDLICH AUFGEHOBEN
: Eine überfällige Reform

Flüchtlingspolitische Gruppen erteilten der Bundesregierung bislang schlechte Zensuren. Denn ihre Hoffnung, mit Rot-Grün würden sich endlich die Menschenrechte als Leitlinie für die innenpolitische Migrationsdiskussion durchsetzen, haben sich nicht erfüllt. Flughafenverfahren, die Lageberichte des Außenministeriums, das Arbeitsverbot für Asylbewerber – die Liste der angemahnten Verbesserungen ist lang. In einem schmerzhaften Prozess mussten die Kritiker lernen, dass auch unter einem Kanzler Gerhard Schröder und seinem Vize Joschka Fischer das Primat europäischer Politik lautet: Errichtung eines europäischen Kontrollsystems über Räume, Märkte und Migrationsverläufe.

Kontinuitäten im Großen schließen allerdings Verbesserungen und Reformen im Kleinen nicht aus. Die Aufhebung des seit 1997 bestehenden Arbeitsverbots für Asylbewerber, die das Bundeskabinett gestern beschlossen hat, ist so eine Verbesserung. Und sie war überfällig. Gewerkschaften, Flüchtlingsgruppen, Arbeitgeber und Kommunen – sie alle drängten die Regierung und forderten die Aufhebung des Verbots, das nur noch den Sinn erfüllte, Material für einen rechtsextremen Topos zu liefern: „Die kommen doch alle nur nach Deutschland, um auf unsere Kosten zu leben.“

Dass Rot-Grün es trotz des breiten gesellschaftlichen Konsenses erst jetzt wagte, das Verbot aufzuheben, zeigt die Angst der Regierenden vor den unberechenbaren rassistischen Affekten in der Bevölkerung. Die Angst ist begründet. Hätte es in den letzten Monaten die Diskussionen um Green Card, Einwanderung und Rechtsextremismus nicht gegeben, die Union hätte die Gelegenheit ergriffen, um dumpfe Ressentiments auf Kosten der Flüchtlinge zu mobilisieren. Aber die Union gehört zu den großen Verlierern der letzten Monate. Ihr gehen zentrale Politikfelder verloren. Auch das zeigt die Neuregelung, die außer der Union nur Gewinner kennt.

Neben den Flüchtlingen sind das vor allem die Kommunen. Sie können nun hunderte Millionen Mark an Sozialleistungen einsparen, die das Arbeitsverbot sie gekostet hat. Auch das Gaststätten- und Hotelgewerbe dürfte sich über die plötzliche Vermehrung des Angebots an billigen und willigen Arbeitskräften freuen. Da die Asylbewerber nur dort eine Arbeit annehmen dürfen, wo kein Deutscher oder EU-Bürger zur Verfügung steht, wird es vor allem diese bei Einheimischen unbeliebte Branche sein, die von der Neuregelung profitiert. Die Welt wird mit der Neuregelung nicht besser, aber das Leben für tausende von Flüchtlingen etwas leichter. Das ist schon was. EBERHARD SEIDEL