Batman ist Warmduscher

■ Mit seiner „musikalischen Groteske“ demontiert Hans König im Vegesacker KuBa den Batman-Mythos / „Bei der Fledeermaus daheim“ gibt es gute Unterhaltung

Kindheitserinnerungen werden wach in Vegesack: Da steht im Stockfinstern doch tatsächlich ein Typ in einer Abgaswolke und bastelt an seinem ollen Rasenmäher-Mofa. Aber alles klärt sich auf:

Gotham City, im nächtlichen Zwielicht. Mit knatternden Mofas fahren die mediokren Gangster des Jokers vor und treiben ihr Unwesen. Wo ist Batman? Wird er sich wie gewohnt dem Bösen entgegenwerfen? Nein. Batman ist ausgestiegen. Es juckt ihn nicht, was die finsteren Gestalten direkt vor seinem Fenster treiben. Der Kreuzritter im Cape hat das Batmobil gegen einem Lieferwagen getauscht und verkauft Schafskäse und Oliven auf dem Markt. Seine ganze Leidenschaft gilt den Feinheiten der mediterranen Küche. Tagein, tagaus kreiert er noch raffiniertere Rezepte, gestört nur durch die Ausbrüche von Robin (Marco Reichert). Der hat in seinem jugendlichen Tatendrang den Rückzug ins Private nicht verkraftet und geht Batman nun mit seinen manisch-depressiven Marotten auf den Geist, wenn er nicht gerade Experimente mit Kanalratten macht.

Dem Joker ist das Idyll zuwider. Er hat die ganze Stadt unter seine Kontrolle gebracht, aber ohne Geg-ner ist ihm sein Leben sauer geworden. Benedikt Vermeer spielt den Obergangster furios: Vom fiesen Bandenchef über den nonchalanten Macchiavellisten zum jammerigen Psychobündel variiert er in Augenblicken so mühelos, dass ihm neben der ganzen Stadt auch das Publikum auf den Leim geht. Er ist nämlich kein bedauernswerter Psychopath, der den Zenit seiner Macht überschritten hat, sondern führt alle wie ein Puppenspieler – alle, bis auf Batman.

Vergebens versucht der Joker, ihn zurück in den Ring ihres ewig jungen Duells zu locken. An Batman perlt alles ab. Die Gefahr eines Bandenkrieges mit Jokers neuem Konkurrenten, dem Storch, ebenso wie die flehentlichen Bitten der Polizei, mit der er sich früher nicht immer grün gewesen war. Heute bietet er dem schmierigen Kommissar (Jürgen Hollermann) höflich einen reizstoffarmen Roibusch-Tee an, als der ihm ein Schreckensszenario an die Küchenwand malt. Der satourierte Batman, der in Person von Walter Koch an einen dümmlichen Roberto Baggio nach dem Abstieg in die Kreisliga erinnert, interessiert sich nur noch für Kräuter und Olivenöl und seine hübsche neue Nachbarin Rosa Pampel (Anika Ruß). Zum Leidwesen von Catwoman – seine Gefährtin aus besseren Tagen missbilligt zwar die Wandlung zum Stubenhocker, kann aber doch nicht vom Geliebten lassen. Als verführerische Katze kann Soulsängerin Sema Mutlu den zur Maus mutierten Mann auch mit schönstem Katzenjammer nicht wieder einfangen. Das Premierenpublikum dagegen schon: Für ihre naiv-sehnsüchtigen Balladen gab es Applaus auf offener Szene.

Singen durften die anderen DarstellerInnen auch, obwohl nicht alle so viel Talent haben wie die eine Hälfte des Rap-Duos Mutlu. Die Lieder und die 60's-Beat-Zwischenspiele der „musikalischen Groteske“ hat der multitalentierte Regisseur Hans König ebenso geschrieben wie das Stück selbst. Der künstlerische Leiter des KuBa hat im eigenen Haus ein geradezu ideales Ambiente für seine Interpretation des beschädigten Helden Batman gefunden: Schon die dezente Industrieromantik des Gebäudes entführt den Zuschauer ins verruchte Gotham City aus den ein-schlägigen Comic-Heften. Genial einfach fügt sich darein das mit viel Liebe zum Detail gestaltete Bühnenbild vom Meike Janßen: Auf der einen Seite Batmans Küche über dem Sado-Maso-Keller seines Vermieters, vis-á-vis das Hauptquartier des Schurken Joker, das einem Gangsterfilm aus den 30er Jahren entlehnt sein könnte; Straßenszenen spielen dazwischen. Ein kurzweiliger Abend, allerdings für Batman-Fans schwer zu verdauen: Hier wird ein Idol brutalstmöglich vom Sockel gestoßen.

Jan Kahlcke

„Batman“ läuft bis zum 22. Dezember, Mittwoch bis Sonntag, um 20 Uhr (außer am 14.; am 16. um 19 Uhr, danach Party)