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■ Ein Germanistenleben kann spannend und äußerst amüsant sein: Die Shakespeare Company und der Theaterhof Priessenthal beweisen es mit Dagmar Papulas neuem Stück über die Märchensammler „Die Brüder Grimm“

Schon seit ungezählten Jahren währt jetzt das Gehakel von und über Männer und Frauen, und so wird es wohl noch viele Jahre weitergehen. Glaubt man der Autorin und Schauspielerin Dagmar Papula haben auch schon Jacob und Wilhelm Grimm, besser bekannt als die Gebrüder Grimm, kräftig dabei mitgehakelt. „Ein Tee wäre gut“, sagt der etwas ältere und in Gendersachen stockreaktionäre Jacob in Papulas neuem Stück über die beiden Märchensammler und Germanisten. Doch weder Wilhelm noch Jacob wollen ihn machen. So brauchen sie eine Frau zur Erfüllung dieser lästigen Pflichten, die dem in Gendersachen liberaleren Wilhelm zufolge Papula zufolge durchaus auch geistige Interessen mitbringen darf.

Der Geschlechterkampf – er tobt noch ein bisschen im Theater am Leibnizplatz. Und dort gibt es auch noch spontanen Beifall für einen Satz wie: „Vom Leben verstehen wir (Frauen) doch mehr als die Fachidioten alle zusammen.“ Selbst in den Biographien von Jacob (1785-1863), Wilhelm (1786-1859) und Wilhelms Frau Dortchen (1795-1867) hat Dagmar Papula – unter anderem – einen Schauplatz für das Rollenspiel aller Rollenspiele entdeckt. Doch all das ist Schwarz auf Weiß und selbst auf der Bühne auf eine Weise äußerst amüsant.

Nach einer Märchenerzählung im Prolog schaltet Papula rüber ins Studierzimmer der beiden Brüder, die schon zu Lebzeiten als spießig gegolten haben sollen. Als Gelehrte wie aus dem Karikaturenbuch oder doch wie aus dem echten Leben einer deutschen Universitätsstadt, die auch heute noch solche Käuze scharenweise hervorbringt, will vor allem Jacob mit dem Leben außerhalb so wenig wie möglich zu tun haben. „Wie soll man geistig arbeiten, wenn das Leben ständig stört“, ruft er, als es an der Tür klopft.

Papulas am Mittwoch unter der Regie Jürgen Kloths im Theater am Leibnizplatz uraufgeführtes Stück ist nicht, wie es auch hätte gehen können, auf einen Ausschnitt verdichtet. Vielmehr ist „Die Brüder Grimm“ eine durch zwei komödiantische Häppchen und mystische Auftritte einer alten Märchenerzählerin garnierte Szenenfolge von Lebensstationen. Der Herren Brautschau gehört genauso dazu wie Jacobs Beteiligung an einer Erklärung gegen Wilkürakte von Hannovers damaligem König Ernst August II. („Die Göttinger Sieben“) oder sein Auftritt vor der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Hinzu gesellt Dagmar Papula Szenen mit der befreundeten Bettine von Arnim (1785-1859) und macht es so zu einem Vier-Personen-Stück.

Zwei Alu-Stühle und -Tische, zwei große blaue Tücher und ein kleiderschrankgroßer Paravent reichen dem Regisseur Jürgen Kloth als Bühnenbild. Denn es stehen in dieser Koproduktion der Bremer Shakespeare Company mit dem bayerischen Theaterhof Priessen-thal vier spielkraftstrotzende SchauspielerInnen bereit. Marlen Breitinger macht aus der im Stück (und vielleicht auch im Leben) leicht farblosen Dortchen viel mehr als eine Randfigur. Die Autorin selbst spielt die Bettine von Arnim mit ganz gelegentlicher Tendenz zum Plakativen. Doch so richtig Leben kommt mit dem Grimmduo Norbert Kentrup als Wilhelm und dem ehemaligen „Tatort“-Kommissar, Martin Lüttge, als Jacob in die Bude: Wie diese beiden sich lieben und kabbeln, wie sie feige auf dem Boden kauern und einmal doch auf Sockeln stehen, ist ein sehenswertes Schauspiel. Mit einfachen technischen, aber allen darstellerischen Mitteln halten das nach der Uraufführung eifrig bejubelte Stück und die überaus hübsche Inszenierung die Schwebe zwischen drolligem Unernst, biographischer Würdigung und geistreicher Unterhaltung. Das Quartett wird „Die Brüder Grimm“ wohl noch ziemlich oft spielen müssen. Christoph Köster

P.S.: Die ProduzentInnen des Stückes treten selbst in die Fußstapfen der Grimms und sammeln Märchen und Geschichten. Näheres unter Tel.: 500 333 und im Internet unter www.diebruedergrimm.de

Aufführungen: 8., 9., 16., 20. und 21. Dezember um 19.30 Uhr, 17. Dezember um 18 Uhr und 31. Dezember um 21 Uhr.