Breitseite gegen Off-shore-Windkraft

■ „Geplante Windmühlen bedrohen angeblich die Schiffssicherheit“: Die Kritik der Bundeswehr löst Aufruhr aus / Die Umweltverbände sind zerstritten / Der Streit um Genehmigung eskaliert

„Windkraftanlagen in der Nordsee provozieren Schiffsunfälle und bedrohen die Nordseeküste mit einer Ölpest.“ Das behauptet Fregattenkapitän Holger Nikoleisen aus Glücksburg/Ostsee. Er begutachtet für die Bundeswehr die Planungen von Off-shore-Windkraftanlagen. Das „Hamburger Abendblatt“ löste gestern mit einem Artikel über die Beeinträchtigung der Sicherheit des Seeschiffsverkehrs durch geplante Windmühlen auf See einen Aufruhr aus. Der Artikel beruft sich auf eine anonyme „Studie von Schifffahrtsexperten“ und gibt exakt die Argumentation Nikoleisens wieder. Bislang war keine Studie zu diesem Thema bekannt. „Man kann das so nicht sagen, dass ich die Quelle des Abendblattes bin. Aber ich sehe das Problem genauso“, dementiert der Korvettenkapitän gegenüber der taz, eine Studie lanciert zu haben.

„Die Bundeswehr hat für solche Behauptungen keine Grundlagen“, empört sich Ingo de Buhr, Geschäftsführer der Leeraner Firma PROKON. Hauptsächlich gegen seine Planungen und gegen die des Bremer „Energiekontor“ richtet sich die Studie. Zwar steht noch keine Windmühle im Meer aber beide planen 45 Kilometer vor Borkum je einen Windpark von 200 beziehungsweise 400 Windmühlen. Energiekontor möchte darüber hinaus auch in der Wesermündung bauen. „Bei uns liegen insgesamt acht Anträge auf Off-shore-Windparks außerhalb der Zwölf-Meilenzone vor“, sagt Christian Dahlke von der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. „Für Schiffssicherheit ist unser Ansprechpartner die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord-West in Aurich“, so Dahlke zur taz. Für 2001 sagt er eine ganze Flut von Anträgen voraus.

In den Planungsgebieten für diese Windanlagen befinden sich U-Boot Übungsgebiete. Aber nicht-militärische Fragen sind für die Kritik der Bundeswehr ausschlaggebend. „Die Windparks sind zu nah an internationalen Verkehrstrennungsgebieten geplant. Gibt es dort etwa wegen Ruderschadens eine Schiffshavarie, kollidieren die Schiffe fast zwangsläufig mit den Windparks“, so Nikoleisen.

Der Korvettenkapitän macht eine einfache Rechnung auf. Zurzeit können Windparks in neun Kilometer Entfernung von einer Nationalparkgrenze und in zwei Seemeilen Abstand zu einer Wasserstraße gebaut werden, sofern der Eingriff in die Natur zu verkraften und die Schiffssicherheit gewährleistet ist. Nikoleisen: „Bei einem Ruderschaden verdriftet ein Schiff bei Süd-West-Wind und normaler Strömung in einer Stunde etwa zwei Seemeilen. Dann kollidiert das Schiff mit dem Windpark. Innerhalb einer Stunde kann aber kein Schlepper am Havaristen sein. Eine Bergung innerhalb eines Windparkes ist ausgeschlossen.“

Die internationalen Schifffahrtswege werden von Tankern mit einer Kapazität von 160.000 Tonnen Ölladung benutzt. Wilhelmshaven wird regelmäßig von Öl- und Gastankern angelaufen. Schon ein mittlerer Container-Frachter führt mehrere tausend Tonnen Treibstoff mit. Als 1998 vor Amrum die „Pallas“ sank, drangen „nur“ 244 Tonnen Öl aus den Tanks und sorgten bereits für eine Umweltkatastrophe.

Zur Zeit erstellt der Germanische Lloyd eine Risiokoanalyse für die Schiffssicherheit im Auftrag des Windparkplaners PROKON und im Auftrag des Umweltbundesamtes. Beide Studien werden vollständig allerdings erst im nächsten Jahr vorliegen.

Die Umweltverbände WWF und Greenpeace beurteilen die Situation unterschiedlich. Greenpeacer Sven Teske: „Ich finde die Diskussion um die Schiffssicherheit schief. Beim Bau von Ölplattformen hat die Schiffssicherheit auch keine Rolle gespielt. Sie ist grundsätzlich immer ein Thema, unabhängig von Windparks. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Off-shore-Windkraft hat unbedingt eine Zukunft.“ Beatrice Claus vom WWF-Bremen meint dagegen: „Das Problem zeigt, wie chaotisch die Genehmigungsverfahren laufen. Keiner weiß was genaues. Derzeit fehlen alle Grundlagen, Off-shore-Parks zu genehmigen.“

Thomas Schumacher