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Der Ölmulti Shell soll nach Berichten der Schweizer Presse Greenpeace ausspioniert lassen haben. Die Informationen lieferte ein linker Filmemacher aus München

BERLIN taz ■ Wollte der Erdölkonzern Shell dieUmweltorganisation Greenpeace mit Hilfe von Schadenersatzforderungen in den Ruin treiben – und bediente sich für diesen Plan ausgerechnet der Dienste eines linken Filmemachers aus München? Diese Vermutung legen jedenfalls Artikel nahe, die jetzt in den Schweizer Wochenzeitungen Weltwoche und WOZ erschienen sind.

Manfred S. schien unverrückbar auf der anderen Seite zu stehen: Nach der Hinrichtung des nigerianischen Schriftstellers Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter – alle scharfe Kritiker der britisch-niederländischen Erdölfirma Shell – dokumentierte der seit vielen Jahren in der linken Szene bekannte Filmemacher die Aktivitäten des Großkonzerns in Nigeria. Untertitel: „Arroganz der Macht“.

Aber Manfred S. hat nicht nur auf eigene Rechnung politisch engagierte Filme gedreht, sondern auch Fremdaufträge angenommen. Der britischen Firma Hakluyt lieferte er Informationen über die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Für einige ehemalige politische Weggefährten des Dokumentarfilmers ist der Fall seither klar: Sie halten Manfred S. nun für einen Agenten im Sold der Großindustrie.

Wahrheit oder Lüge? Der Filmemacher will die Vorwürfe, die er als „existenzvernichtend“ bezeichnet, nicht auf sich sitzen lassen. Den Artikel der Weltwoche bezeichnete Manfred S. gegenüber der taz als eine Mischung aus „Fakten, Halbwahrheiten, Verdrehungen und falschen Zuordnungen“. Richtig sei, dass er vor einigen Jahren im Auftrag von Hakluyt „aus öffentlich zugänglichen Quellen ein Porträt von Greenpeace“ geschrieben habe. „Ein bisschen blauäugig“ habe er den Auftrag angenommen. Einfach um das Geld sei es ihm dabei gegangen und für den Auftraggeber habe er sich nicht weiter interessiert.

Das hätte er wohl besser getan. Die in London ansässige Firma ist von ehemaligen Mitgliedern eines britischen Auslandsgeheimdienstes als privater Informationsdienst gegründet worden und wirbt mit dieser speziellen Qualifikation um Kunden. 1997 soll es Hakluyt gelungen sein, den Bericht des britischen Greenpeace-Kampagnenleiters Chris Rose über geplante Operationen direkt aus der Druckerei an einen Kunden zu übergeben.

Wer war dieser Kunde? Bei Hakluyt gibt man sich branchenüblich zugeknöpft. Auch Filmemacher Manfred S., der für sein Greenpeace-Porträt eine Rechnung in Höhe von 20.000 Mark stellen durfte, weiß eigenen Angaben zufolge nichts Genaues: Es seien wohl Erdölkonzerne gewesen, die herausfinden wollten, wie es um die Finanzen der Umweltorganisation bestellt sei, und an einem Gutachten über mögliche Konsequenzen von Schadenersatzforderungen interessiert gewesen seien.

„Wer, wenn nicht Shell, hatte die Möglichkeit, Greenpeace wegen Produktionsausfall mit einer Schadenersatzklage in den Konkurs zu treiben?“, fragt die Weltwoche. In der Londoner Presseabteilung von Shell weiß man angeblich von nichts: „Können Sie uns den Artikel aus der Weltwoche zufaxen? Wir erreichen in der Schweiz niemanden.“ Einen „formalen Kommentar“ zu der Angelegenheit könne man bis Redaktionsschluss leider nicht abgeben, weil man eben, leider, nichts darüber wisse.

Außer Frage steht allerdings in jedem Falle, dass Shell allen Grund hat, über die Aktivitäten von Greenpeace so viel wie möglich in Erfahrung bringen zu wollen. Groß sind Befürchtungen, dass der Konzern noch einmal unter einem Boykott zu leiden haben könnte wie 1995. Damals hatten 80 Prozent der deutschen Bevölkerung während der Auseinandersetzung um die Bohrinsel Brent-Spar ihr Benzin bei der Konkurrenz gekauft.

BETTINA GAUS