Das haben wir nicht gewollt!

Handysessel, Diddl-Mäuse, bemalte Muscheln: Was man sich nie selbst kaufen würde, wird um so lieber verschenkt. Was tun mit dem unnützen Zeug? Wegwerfen ist selbstverständlich verboten! Der Erfahrungsbericht eines Geschenk-Messies

von CHRISTA STORM

Das Ding ist in meinem Nikolauspaket, zwischen blank polierten Äpfeln aus Omas Garten, einem gemütlichen Paar selbst gestrickter Socken und einer Schachtel Lebkuchenherzen. Es ist klein, rot und aus elastischem Kunststoff. Es sieht aus wie ein Sessel für die Puppenstube. Ich besitze aber keine Puppenstube, und gerade meine Mutter müsste wissen, dass ich stark auf die Dreißig zugehe.

Ich rufe also an und bedanke mich artig, versichere, dass die Socken mir schon über eine kalte Nacht geholfen haben und der Lebkuchen ein guter Jahrgang und ganz besonders lecker war. Dann frage ich nach dem Sinn der Miniatursitzgelegenheit. „Kind“, sagt meine Mutter mit überlegener Stimmer. „Du telefonierst doch immer so viel. Das ist ein Handysessel.“ Ich bin verwirrt. Was soll ich damit? Hätte das quietschrote Teil einen integrierten Akku, klar. Ich platziere mein Handy auf der flexiblen Sitzfläche. Das sieht ganz schön bescheuert aus. Sicher, in aufrechter Position kann man das Display besser einsehen. Trotzdem – die Zweifel bleiben. Ein Hund braucht einen Korb, Essbesteck eine Sortierschublade, Füße brauchen Socken, aber ein Handy benötigt keine Plüschtasche in Gestalt eines Krokodils und schon gar keinen Sessel.

Ungefähr den gleichen Status wie das nutzlose Handyaccessoire hat die so genannte Diddl-Maus. Das sind faustgroße Plüschtiere mit debilem Blick, weiß mit überdimensionierten rosa Tatzen und Ohren, ganz auf Kindchenschema ausgerichtet. Meine 14 Jahre alte Kusine präsentierte mir jüngst voller Stolz ihre Sammlung, für die mein Onkel extra ein neues Regal zusammenbauen musste, und seitdem fallen mir die Viecher überall auf – im Kaufhof in der Geschenkeabteilung und in den Schaufenstern von Schreibwarenläden, auf Tassen, Wandkalendern, Schlüsselanhängern; in Geschenkeläden, wo es Sachen gibt wie mit Witzen bedrucktes Toilettenpapier, den „Verbotene-Liebe-Kalender 2001“ und Feuerzeuge mit nackten Frauen drauf.

Diddl-Mäuse baumeln vor allem an den Armee- und „East Pack“-Rucksäcken von Schülerinnen. Sogar an der Uni wird manchmal mit Diddl-Kulis auf Diddl-Blöcke geschrieben. Es gibt Sternzeichenkalender, Anziehsachen, komplette Schreibtischsets, Zahnbürsten und Mülleimer mit den herzigen Motiven. Daran ist Thomas Goletz schuld. Der Geesthachter, inzwischen vermutlich schwerreich, fertigte am 24. August 1990 die erste Maus. Er ist der Schöpfer eines Imperiums der Volksverkitschung, der vor nichts zurückschreckt und in dessen Haus ich niemals eingeladen werden möchte.

Richtig brenzlig wird es, wenn Goletz seine irren Nager als Medium benutzt und sie Sätze sagen lässt wie: „Liebe ist so ziemlich das allerschönste Wort in Diddls Wortschatz, und deshalb benutzt er es ganz besonders oft und gern bei seinen Kartengrüßen.“ So nachzulesen unter www.diddl.de. Oder: „Wir vermissen dich ganz, ganz doll“, „Sei mein Mause-Bär“. Meine Kusine schenkte mir einen „Diddl“ mit Käsestück in der schlabbrigen Pfote. „Weil du mein liebstes Kusinentier bist und du doch sonst niemand zum Kuscheln hast“, sprach sie, zog die Stirn in Falten und setzte den Mäuseblick auf, devot und von unten.

Es versteht sich von selbst, dass ich das aufreizend blöde glotzende Mausvieh nicht verschwinden lassen kann. Die Kusine könnte irgendwann zu Besuch kommen und meine Wohnung auf Diddl-Dichte hin untersuchen. Kurzzeitig benutzte ich das Mäuslein als Voodoo-Puppe. Dann als Punchingball. Aber nichts verkürzte sein sinnloses Dasein. Das Ding sitzt da und fängt Staub. Es sitzt neben dem furchtbaren Bilderrahmen mit selbst gesammelten Muscheln vom Usedomer Strand (entfernte Freundin), der Sonnenblumenhaarspange vom Londoner Szenemarkt (Exfreund), dem phallusartigen Alessi-Gasherdanzünder (Mutter, habe E-Herd) und der aufblasbaren Gummibiene (Überraschungsbesuch). Ich kann das alles nicht wegschmeißen. Ich bin nicht undankbar. Ich bin ein Geschenk-Messie. Für die Diddl-Maus habe ich jetzt übrigens eine klasse Aufbewahrungsmöglichkeit. Das Tier kommt auf den Handysessel. Und ich, ich wünsch mir Slips mit aufgedruckten Wochentagen und einen Elvis-Starschnitt. Aber was wünscht sich Thomas Goletz?