Die Deneuve sieht alt aus

Junges französisches Kino im fsk: Die gemeinsame Matrix bilden kaputte Familie, strukturelle Einsamkeit und kleinere Grausamkeiten, die eher beiläufig passieren

Soll keiner sagen, dass französisches Kino in Berlin derzeit nicht stattfindet. „Felix“ läuft und läuft und läuft; „Lust auf anderes“ macht genau das; und François Ozon, schon fast zur Unkenntlichkeit arriviertes Enfant terrible der jungen Filmszene, ist neben seiner Fassbinder-Adaption „Tropfen auf heiße Steine“ auch noch mit seinen Kurzfilmen vertreten. Aber machen wir uns nichts vor: Ohne das fsk-Kino und das Kino in den Hackeschen Höfen säßen wir im Tal der Ahnungslosen. Mit sieben aktuellen Spielfilmen veranstaltet jetzt das fsk, wieder im Verbund mit dem Institut français, das bereits dritte Festival „Neues französisches Kino?“ Die werden vermutlich erst Ruhe geben, wenn Ozon und Assayas die Multiplexe füllen. Oder die ganz jungen Autorenfilmer, die hier präsentiert werden. Eine hervorragende Einstellung. Wobei mancher Film unserer guten Nachbarn auch den Frankophoben reichlich Nahrung gibt. Philippe Garrel, nach dreißig Jahren noch immer nicht wirklich im Business angekommen, liefert mit „Le vent de la nuit“ laues Diskurskino mit Star. Die eigentliche Hauptrolle spielt ein roter Porsche, in dem zwei Herren über deutsche Autobahnen brettern, um 68 zu diskutieren. Catherine Deneuve sieht dabei ziemlich alt aus, und Garrel hat das sogar gewollt.

Da setzt man doch besser auf Erst- und Zweitlinge, am besten ohne Verleih. Die schweben, wie so oft im französischen Kino, zwischen Natürlichkeit und Naturalismus. Man entscheidet dann von Fall zu Fall, was einem besser gefällt. „Peau d’homme, Coeur de Bête“ von Hélène Angel ist die beklemmend glaubhafte Geschichte eines Heimkehrers. Nach 15 Jahren trifft ein ehemaliger Fremdenlegionär auf seine Familie, die schon ohne ihn ein einziges Desaster darstellte. Lügen und Geheimnisse führen zur Katastrophe. Und zum schönsten Filmende nicht nur dieses Festivals. Das Wiedersehen mit Erick Zonca (zuletzt „Liebe das Leben“) gestaltet sich mit nur einer Stunde leider etwas kurz. „Le petit voleur“, die ausgesprochen nüchtern Geschichte eines sozial nun völlig inkompetenten Möchtegerndiebes, hätte etwas mehr Breite gut vertragen.

Eher ums Alleinesein als ums Kämpfen geht es bei Stéphane Brizés „Le Bleu des villes“ und „Petite Chérie“ von Anne Villacèque – willkommen im Beziehungsdrama. Die Selbstfindung geht hier verschlungene Wege. Brizés heldenhafte Politesse Solange rettet sich durch Karaoke vor ihrem Mann, einem unglaublichen Langweiler. Weniger heiter geht es bei Villacèque zu: Minderhübsches Nesthäkchen scheitert beim Versuch, ihre Romanfantasien mit einem gestrandeten Yuppie auszuleben.

Die gemeinsame Matrix bilden die kaputte Familie, strukturelle Einsamkeit und ein Hang zur Verweigerung von Sensation. Kleinere Grausamkeiten kommen eher beiläufig daher. Durchschnittene Kehlen, aufgebrochene Pulsadern, Elternmord – Filmemachen in Frankreich muss ein furchtbarer Job sein. Aber Zuschauer, denen die Selbstgefälligkeit deutscher Produktionen schon lange auf die Nerven fällt, können davon nur profitieren. PHILIPP BÜHLER

„Neues französisches Kino?“ findet vom 7. – 13. 12. im fsk am Oranienplatz statt