BUNDESTAG STIMMT ANTRAG AUF VERBOT DER NPD ZU
: Unter dem Druck des politischen Klimas

Als drittes Verfassungsorgan hat der Bundestag gestern dem Antrag auf ein Verbot der NPD zugestimmt. Nun werden also beauftragte Anwälte von Regierung, Bundesrat und Parlament vor den Verfassungsrichtern in Karlsruhe begründen, warum die rechtsextreme Partei ihrer Ansicht nach nicht nur verfassungsfeindlich ist, sondern in aggressiv-kämpferischer Art und Weise gegen die Grundordnung vorgeht und somit verfassungswidrig ist. Ihre Argumentation steht auf wackeligen Beinen, sagen jene, die einem Verbot aus prinzipiellen Erwägungen skeptisch gegenüberstehen. Doch werden solche juristischen und sachlichen Argumente wirklich im Mittelpunkt der Verhandlung stehen? Schlicht gefragt: Wird das Verfassungsgericht es sich überhaupt leisten können, am Ende eines langwierigen Verfahrens drei Verfassungsorgane mit einem ablehnenden Urteil zu blamieren?

Wohl kaum. Trotz der formellen Unabhängigkeit des Gerichtes ist auch diese Institution Teil des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik, ist Objekt des Hasses, mit dem die NPD ihre Anhänger mobilisiert. So ist also zu vermuten, dass die Richter des Zweiten Senats schon jetzt unter demselben Druck stehen, den Bundesregierung und Bundesrat sich auferlegten, als sie die Verbotsanträge vor einigen Wochen auf den Weg brachten. Nicht anders erging es gestern dem Parlament.

Welchem Bürger, der nicht das politische Alltagsgeschäft verfolgt, ist schon der Unterschied zwischen einem eigenen Verbotsantrag und einem leichtgewichtigeren Entschließungsantrag des Bundestages zu vermitteln, wie ihn die Union erfolglos forderte? Von dem Augenblick, als die Bundesregierung und der Bundesrat ihre Beschlüsse gefasst hatten, war das Parlament nicht mehr frei: die SPD und die Grünen in ihrer Mehrheit nicht, ohne dem Kanzler in den Rücken zu fallen; die PDS nicht, ohne mit ihrem eigenen Antifaschismus ins Gehege zu geraten. Dass die FDP gegen den Verbotsantrag stimmte, war weniger eine grundsätzliche Entscheidung als vielmehr Westerwelles Versuch, sich gegenüber den Grünen als Bewahrer des wahren Liberalismus aufzuschwingen. Die Union schließlich bezeugte mit ihrem eigenen Antrag nur, wie tief sie in der Krise steckt: Wo das CSU-regierte Bayern mit dem Verbotsantrag im Bundesrat beherzt vorpreschte, verliert sich die Union mit ihrem Entschließungsantrag in Formfragen.

Die Mehrheit des Parlaments musste gestern den Verbotsanträgen der anderen Verfassungsorgane folgen. Alles andere wäre ein propagandistischer Sieg für die NPD gewesen – für eine Partei, der in den vergangenen Monaten ohnehin schon viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das wird sich in Karlsruhe forsetzten. SEVERIN WEILAND