Exdirektor von Aeroflot landet im Moskauer Knast

Schlag gegen Fluggesellschaft soll den Oligarchen und einstigen Gönner von Präsident Putin, Boris Beresowski, treffen. Der setzt sich ins Ausland ab

BERLIN taz ■ Verhaftet wurde vorgestern in Moskau der ehemalige stellvertretende Direktor der halbstaatlichen russischen Fluggesellschaft AEROFLOT, Nikolaj Gluschkow. Er ist einer von vier einst führenden MitarbeiterInnen dieser Gesellschaft, gegen die die Staatsanaltschaft in den vergangenen Tagen Anklage wegen Betruges im Rahmen einer organisierten Gruppe erhoben hat. Dabei haben die Verfolger sich allerdings als wählerisch ewiesen, denn ins Kittchen wanderte er als bisher einziger.

Gluschkows Arrestierung ist der vorläufige Höhepunkt in einem monatelangen Eiertanz der Staatssicherheitsorgane, die die AEROFLOT mit Haussuchungen und erhobenen, dann aber wieder fallengelassenen Anklagen umkreisten. Die Fluggesellschaft bildet eine tragende Säule im Imperium des Oligarchen Boris Beresowski. Der gilt als Königsmacher des gegenwärtigen Präsidenten Russlands, Wladimirr Putin, und hat dessen Wahlkampf maßgeblich finanziert.

Die Anklage wirft der Firmenspitze vor, auf dem Umweg über die von ihnen in der Schweiz gegründeten Tochterfirmen Andava und Forus die AEROFLOT und somit den russischen Staat um 935 Millionen Dollar geprellt zu haben und das Geld in die eigenen Taschen geleitet zu haben.

Nach Indiskretionen aus der schweizer und russischen Staatsanwaltschaft soll dieser Coup von Boris Beresowski initiert worden sein, den man somit als Kopf der erwähnten „organisierten Gruppe“ zu betrachten hat.

Die russischen Strafverfolger sind also beim Anklagen der Verdächtigten in diesem Falle noch wählerischer gewesen, als bei der Verhaftung der Angeklagten: gegen den wichtigsten, vermutlichen Tätern liegt offiziellerseits keine Beschuldigung vor.

Dennoch bezweifeln politische Beobachter in Moskau nicht, dass der neuste Schlag eigentlich gegen Beresowski gerichtet ist und mit Wissen und Billigung des Kreml geführt wurde. Dafür, dass die Staatsanwäle um Beresowski herumschleichen, wie die Katzen um den heißen Brei, werden verschiedene Erklärungen angeboten. Entweder sie wollen ihn sich zum Nachtisch aufheben, oder Beresowski soll zu einem politischen Deal gezwungen weden.

Der flexible Erzoligarch hat sich schlauerweise rechtzeitig entschieden, zur Erholung ins Ausland zu fahren - mit unbekanntem Ziel. Über eine Agentur erkläre er sich jetzt zum Politemigranten.

Zugleich kündigte der Megafinanzier an, er sei nunmehr zum Verkauf der von ihm kontrollierten 49 Prozent Aktien der halbstaalichen Fernsehgesellschaft ORT bereit. Damit bricht er sein jüngstes Versprechen, dieser Anteil solle künftig von einem Rat aus unparteilichen Vertretern der schöpferischen Intelligenz verwaltet werden. Das Aktienpaket ist offenbar der Brocken, den der Oligarch jenen in den Rachen zu werfen bereit ist, die im engsten Kreise der Staatsmacht gegen ihn hetzen. Offenbar versucht Beresowski so den Machthabern entgegenzukommen, deren Interessen mit denen der schöpferischen Intelligenz nicht immer zusammenfallen. BARBARA KERNECK