Zweiter Rettungsschuss für Polizeigesetz

■ Zweiter Entwurf der Polizeigesetznovelle morgen im Senat / Konflikte sind programmiert: beim geplanten Todesschuss, verdachtsunabhängigen Kontrollen und erleichterter Festnahme

Stufe zwei ist gezündet – der Rückstoß wird diese Woche spürbar werden. Das Innenressort unter Senator Bernt Schulte (CDU) hat jetzt einen überarbeiteten Entwurf für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Die Vorlage soll morgen im Senat behandelt werden. Streit ist programmiert: Das SPD-geführte Justizressort und der Landesdatenschützer empfehlen die Streichung von mehreren Punkten, die für die CDU wesentlich sind.

Betroffen sind die von Anfang an von der SPD und auch vom Personalrat der Polizei abgelehnten verdachtsunabhängigen Kontrollen, die erleichterte Festnahme nach nicht befolgten Platzverweisen, die präventive verdeckte Ermittlung ohne richterliche Anordnung sowie der von der Polizei wiederholt geforderte, angeordnete Todesschuss.

Der Streit ums geplante Gesetz dürfte in dieser Woche weiter eskalieren, sobald die bislang nicht beteiligten VertreterInnen der Bürgerschaftsfraktionen in die Gesetzgebungs-Debatte eingreifen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sie am Dienstagabend aufs öffentliche Podium geladen*. Am Donnerstagvormittag werden die Standpunkte der Fraktionen in der Bürgerschaft aufeinanderknallen.

„Ich werde da wohl gegen rot-grün kämpfen“, kündigt der innenpolitische Sprecher der CDU, Rolf Herderhorst, an. Der SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen wirft der CDU unterdessen beim Todesschuss „eine unerträgliche Blockadehaltung“ vor. Schließlich sei der so genannte finale Rettungsschuss absichtlich nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Nun blockiere die CDU damit „ohne Not“ die beabsichtigte Gesetzesreform. Zugleich machte Kleen deutlich, dass er auf eine insbesondere von SPD-Juristinnen geforderte Regelung nicht verzichten wolle, die die „Wegweisung“ gewalttätiger Partner aus der gemeinsamen Wohnung ermöglichen soll. Dass die Verfasser außerdem einen von der SPD angedeuteten Kompromissvorschlag zur Videoüberwachung bereits in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, der das Aufzeichnen und ungesichtete Löschen vorsieht – sofern keine Anzeigen vorliegen – ärgert den Sozialdemokraten. Das sei unter Koalitionären kein feiner Umgang.

Innensenator Schulte sieht sich unterdessen mit den letzten Stellungnahmen des Justizressorts konfrontiert, das zur ersatzlosen Streichung mehrerer Passagen im Entwurf „keine Alternativen“ sieht – angefangen bei der verdachtsunabhängigen Kontrolle.

Hier will der Innensenator die Behördenleitung ermächtigen, „zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug“ bei entsprechenden Lageerkenntnissen Personen anhalten, befragen und kontrollieren zu lassen, „ohne dass auf die Personen bezogene Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat vorliegen müssen“. Dies sei „unverhältnismäßig“, heißt es im Justizressort. Der Argumentation des Innenressorts, dass eine solche Kontrolle eine „erhebliche Bedeutung“ der angenommenen Straftat voraussetze und somit auf schwere und organisierte Delikte zugeschnitten sei, widersprechen die Juristen: „Der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist nahezu unbeschränkt.“ Die Polizei könnte damit jede Person überall und ohne Anhaltspunkte für eine Straftat kontrollieren. „Streichen“, empfiehlt Justiz.

Auch zum Platzverweis beharken sich die Koalitionäre. Inneres will die Polizei berechtigen, Personen schnell einzusperren, die einem Platzverweis nicht folgen – etwa nach einem Unfall oder einer Demonstrationen. Dies ist bislang nur möglich, wenn bei Nichtbefolgen eines Platzverweises „erhebliche Gefahr“ besteht. Schon der Platzverweis an sich greife in das Grundrecht auf Freizügigkeit ein, argumentiert das Justizressort. Die geplante Neufassung senke die Schwelle zur Festnahme auf ein bislang ungekanntes Maß – weil sie nicht einmal mehr definiere, welche Art von Gefahr für welche Person abgewehrt werden solle. Streichen, lautet die Empfehlung.

Ebenfalls aus dem Entwurf verschwinden soll – nicht überraschend nach der Lauschangriff-Vermittlung im Bundesrat durch Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) – das geplante Verwanzen von Privatwohnungen. Das Justizressort stemmt sich dagegen, die im Grundgesetz gewährleistete Unverletzlichkeit der Wohnung für präventive Polizeimaßnahmen aufzugeben, die – anders als Maßnahmen zu Strafverfolgung – nicht einmal richterlich angeordnet werden müssten.

Auch beim sogenannten „finalen Rettungsschuss“ prallen unterschiedliche Positionen aufeinander. Den lauten Forderungen von CDU und Polizei nach dem gezielten Todesschuss auf beispielsweise Geiselnehmer hält das Justizressort das Grundrecht auf Leben entgegen. Der Innensenator dagegen will den „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirkenden Schuss“ im Gesetz haben – als eine Maßnahme „für Fälle, in denen eine mit höchster krimineller Energie vorgehende Person nur noch durch einen solche Schuss-waffengebrauch an der Tötung oder schwerwiegenden Verletzung eines anderen Menschen gehindert werden kann.“ Argument: „Der schwerste denkbare polizeiliche Eingriff soll eine ausdrückliche klare Grundlage erhalten“ – im Interesse der Beamten. Die SPD hat dem immer entgegengehalten, dass auch für extreme Situationen die bisherigen Bestimmungen zur Nothilfe ausreichen. Die Stellungsnahme des Justizressorts lautet: „Von einer Einschränkung des Grundrechts auf Leben durch Schaffung eines Tatbestands, bei dessen Vorliegen die Tötung eines Menschen zugelassen ist, sollte der Gesetzgeber absehen.“ ede

*Podiumsdiskussion „Polizeigesetz“ mit Innensenator Bernt Schulte (CDU), Hermann Kleen (SPD), Rolf Herderhorst (CDU), Matthias Güldner (Grüne), Dieter Oehlschläger (GdP), Horst Röhl, Fachvertreter für Polizeirecht (GdP), am 12. Dezember um 19.30 Uhr im Marriott-Hotel, Hillmanplatz