glossar

Ein Gutachten und die Wut auf die Moderne

In seinem Gutachten zur Reform der Denkmalpflege, im Auftrag der Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer erstellt, plädiert der Berliner Publizist und Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm für eine Neubewertung denkmalwerter Bausubstanz und die Entstaatlichung der Denkmalpflege. Nach Hoffmann-Axthelm sollen besonders für Bauten der Nachkriegsmoderne andere Maßstäbe gelten als für die Baukunst des 18. und 19. Jahrhunderts.

In Berlin findet ein Angriff auf diese Bauten der Moderne statt: Das große Restaurant Ahornblatt, ein Schalenbau des DDR-Architekten Ulrich Müther, war das letzte Beispiel für diesen Zerstörungswillen. Voraus gingen Teilabrisse des berühmten Café Kranzler am Victoria-Areal am Ku’damm und Beschlüsse, die 60er-Jahre-Ensembles wie das FU-Studentendorf Schlachtensee, den Ostberliner Palast der Republik oder das Brückengebäude Schimmelpfenghaus an der Gedächtniskirche zu zerstören.

Einem Veränderungsdruck, sei es aus wirtschaftlichen oder städtebaulichen Gründen, sind auch ganze bestehende Viertel ausgesetzt. So gibt es für die Ostberliner Fischerinsel, ein traditionsreiches Quartier der Berliner Stadtmitte, das in DDR-Zeiten mit Hochhäusern verbaut wurde, Pläne, das Hochhausensemble mit parzellierten Neubauten zu umstellen. Ebenso ist vorgesehen, an der nördlichen Karl-Marx-Allee ungenutzte Bauten aus DDR-Zeiten, wie etwa das Café Moskau, auf den Index zu setzen.

Die Thematisierung des Denkmalwertes moderner Architekturen hat aber auch Früchte getragen: Der einstige DDR-Staatsrat, schon auf der Abrissliste, wurde erhalten. Und das Hansa-Viertel, die Westberliner Vorzeigesiedlung der 50er-Jahre, über die auch „nachgedacht“ wurde, soll ihren Charakter behalten.