Zu laut zum Träumen

„Stimmung wie bei Barca - Real“: Spanien gewinnt zum ersten Mal den Davis Cup im Finale gegen Australien - trotz unbotmäßigem Publikum

von REINER WANDLER

„Tut uns leid, aber dieses Mal ist der Traum unser!“ John McEnroe dreht sich verzweifelt dem Ball hinterher. Punkt. Satz. Sieg. Der Werbespot des spanischen Fernsehens mit Bildern aus dem Daviscup-Halbfinale gegen die USA verbreitete Hochstimmung. Nach 1965 und 1967 stand das iberische Team am vergangenen Wochenende zum dritten Mal im Finale. Und zum dritten Mal ging es gegen Australien. Doch anders als früher galten die Spanier dieses Mal als Favoriten und sie bestätigten diesen Status. Gestern nachmittag holte der erste 20-jährige Juan Carlos Ferrero in einem dramatischen Match gegen Lleyton Hewitt mit 6:2, 7:6 (7:5), 4:6, 6:4 den entscheidenden dritten Punkt. Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte hatte ein spanisches Team den Davis Cup gewonnen. Das abschließende Einzel war bedeutungslos.

Den Grundstein legte am Samstag das Doppel Alex Corretja und Joan Balcells. Überraschend holten die Iberer mit einem ungefährdeten 6:4, 6:4, 6:4 über Mark Woodforde und Sandon Stolle den zweiten Punkt.

Das spanische Quartett war von der heimischen Presse schon nach den Siegen über Italien, Russland und USA zum „Dream Team“ erhoben worden. „Ich will Stimmung wie beim Ligaschlager FC Barcelona - Real Madrid“, hatte sich der Weltranglisten 26. Alberto Costa vor dem Finale gewünscht. Und sein Teamkollege Corretja forderte die Fans auf: „Kommen Sie ohne Schlips und Kragen. Die Zuschauer sollen mit uns ihre Hemden durchschwitzen.“ Beide wurden erhört. Fahnen, Sprechchöre, Pfiffe und Applaus, viele sahen die Würde des weißen Sports entehrt. Dreimal musste der schwedische Schiedsrichter Stephane Fancine alleine während des Doppels verwarnen, nach dem sich der australische Teamchef John Newcombe immer wieder über die Fans beschwert hatte. „Die Leute waren vielleicht tatsächlich kurz davor mit ihrer Begeisterung einen Verstoß gegen Regeln zu provozieren“, gestand auch Fancine nach dem Match ein. Doch soweit, die Spanier mit dem Abzug eines Punktes zu bestrafen, wollte er denn doch nicht gehen.

Die 15.000 Plätze auf den Rängen waren schon lange im Vorfeld ausverkauft. In den Tagen vor dem Finale wurde sie bei Versteigerungen im Internet für bis zu 2.500 Mark gehandelt. „Schnallen Sie sich an. Es wird hoch spannend.“ - „Bunkern Sie Essen und Getränke. Beim Tennis weiß man immer wann es losgeht, aber nicht wann es aufhört“, hatte die spanische Presse denen empfohlen, die nicht über so viel Kleingeld verfügen. Das Fernsehen war mit einem Aufgebot angerückt, wie es die Sportredaktion seit Olympia 1992 in Barcelona nicht mehr gesehen hatte.

Es ist nicht die erste Welle von Tennisfieber, die Spanien packt. Bereits in den 60er Jahren erlebte der weiße Sport seinen ersten Boom. Rekrutierten sich Spieler und Anhänger bis zur ersten Teilnahme an einem Daviscupfinale 1965 fast ausschließlich aus der Oberschicht, wurde das Spiel auf dem Aschenplatz fortan zum Sport der Mittelklasse oder derer, die gerne dazu gehören würden. Die „beiden Manolos“, die Tennisstars Manuel Santana und Manuel Orantes, durften in den Sportprogrammen der letzten Jahre der Franco-Diktatur nicht fehlen. Arantxa Sanchez und Concha Martinez sind die herausragenden Vertreter der Kinder dieses ersten Tennisbooms in den 60er und 70er Jahren.

Ergebnisse: Albert Costa - Lleyton Hewitt 6:3, 1:6, 6:2, 4:6, 4:6; Juan Carlos Ferrero - Patrick Rafter 6:7 (4:7), 7:6 (7:2), 6:2, 3:1 verletzungsbedingte Aufgabe von Rafter; Alex Corretja/Juan Balcells - Mark Woodforde/Sandon Stolle 6:4, 6:4, 6:4, Ferrero - Hewitt 6:2, 7:6 (7:5), 4:6, 6:4