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Trennkost für den Nachwuchs: Das Kindermusiktheater Atze gastiert mit „Spaghettihochzeit“ im Russischen Haus

Kinder sind ein erbarmungsloses Theaterpublikum. Vor der Aufführung müssen Klappstühle als Sprungbretter, Sitzreihen als Rennbahnen herhalten. Dazu ein Stimmenchaos aus kindlichem Kreischen, Lachen, Weinen und den verzweifelt mahnenden Worten der verantwortlichen Eltern und Lehrer. Erst das plötzliche Dimmen der Saalbeleuchtung ruft einen Moment erwartungsvoller Stille hervor. Man hofft, er würde lange dauern.

Das Ensemble des Kindermusiktheaters Atze, dessen neues Stück „Spaghettihochzeit“ derzeit im Russischen Haus aufgeführt wird, weiß aus mittlerweile dreizehnjähriger Bühnenerfahrung nur zu gut, dass Theater für Kinder und Jugendliche kein leichtes Spiel ist. Hier werden Schlagfertigkeit und Kreativität auf eine harte Probe gestellt, denn die kritischen Anmerkungen, Fragen, aber auch positives Feedback zur darstellerischen und inszenatorischen Leistung kommen unmittelbar und spontan aus dem Zuschauerraum. Damit umgehen zu können setzt eine entscheidende Überzeugung voraus: Kinder sind immer auch ein ernst zu nehmendes Publikum.

Regisseur Holger Franke, ehemals Gründer der „Berliner Roten Grütze“, versucht in „Spaghettihochzeit“ diesem Anspruch gerecht zu werden, indem er die heutigen Abgründe des Kindseins verbunden mit viel Witz, kleinen Spielen und auflockernden Musikeinlagen für die Bühne adaptiert. „Eine richtige Familie – das sind Vater, Mutter, Kind, eine kleine nervige Schwester vielleicht, abends essen alle zusammen, und dann gibt’s so richtig Streit!“, verkündet die kesse Anna auf der Bühne. Erfrischendes Lachen im Publikum. Man spürt, dass sie dem Nachwuchs aus der Seele spricht. Aufmerksam verfolgen sie deshalb auch Svens Geschichte. Die beiden Kinder haben sich gerade auf einer Hochzeitsfeier kennen gelernt. Svens Mutter heiratet den besten Freund ihres Exmannes, was für die illustre Hochzeitsgesellschaft scheinbar völlig normal ist.

Konträr zum scheinbar unverwüstlich weltfremd umherwitzelnden „Kaschperletheater“ werden den Kids hier in verständlichen, musikalisch animierten Rollenspielen durchaus realistische Wege und Lösungen für den Umgang mit Elternstreit und Scheidung erspielt. Soziale Issues, deren Umsetzung lediglich an der teilweise zu puppenstubenhaften Kulisse leidet. Im Gegensatz dazu verkörpern die zwei aufgeweckten Hauptdarsteller (Ina Herr, Raimund Groß) umso glaubhafter die kindlichen Charaktere. Und das wirkt.

Zum Beispiel als sich die zehnjährige Anna bei der bevorstehenden Trennung ihrer Eltern für Papa oder Mama entscheiden soll. Schlagartig tuschelt es durch die Zuschauerreihen, bei wem es sich besser leben würde. Auf der Bühne kommt es schließlich, wie es im Kindertheater kommen sollte: Alles wird gut.

Die Liebe siegt, und die Kinder nehmen ein gutes Gefühl mit nach Hause. Zur Feier des Tages gibt’s dann auch noch Spaghetti, oder wie Anna findet: „Iiieeehhh, schon wieder Spaghetti – kotz, kotz!“ PAMELA JAHN

Vorstellungen: 13. – 15.12., 10.30 Uhr, Russisches Haus, Friedrichstr. 176 – 179