Ich, mich und mein Selbst

Wie schön es sein kann, eine multiple Persönlichkeit zu sein: Der einstige Vorturner von Mucus 2, Andrew Pekler, spielt mit seinem neuen Projekt Sad Rockets im Maria

Persönlichkeitsspaltung gilt gemeinhin als ernste Sache. Aber das ist natürlich Quatsch, denn eine hübsche kleine Persönlichkeitsspaltung ist das Praktischste von der Welt. Während unsereiner mit der einen mehr oder weniger langweiligen Persönlichkeit, die einem das genetische Roulette überlassen hat, jede Minute bis ans Ende seiner Tage zubringen muss, ohne dabei trotz vielfältigster Therapien und Bewusstseinserweiterungsexperimente wesentliche Hoffnung auf Änderung oder gar Verbesserung hegen zu dürfen, ist der Persönlichkeitsgespaltene fein raus. Immerzu umgeben ihn neue anregende Menschen, und wenn es nur der irre Nachbar aus dem eigenen Oberstübchen ist.

Ein Problem allerdings gibt es: So eine durchschnittliche Persönlichkeitsspaltung kann natürlich ganz schön kompliziert und verwirrend sein. Wie bei Andrew Pekler. Der ist in Usbekistan geboren, im berühmten Monterrey in Kalifornien aufgewachsen, dann nach Heidelberg gegangen, um schließlich seit Anfang dieses Jahres in Berlin zu leben.

Bekannt wurde er aber nicht als Weltreisender, sondern als Sänger, Gitarrist und Mundharmonikaspieler der mittlerweile eingegangenen Heidelberger Trash-Kapelle Mucus 2, die eindeutig zwei, drei zu Staub zerfallene Garagen-Rock-Platten zu viel gesnieft hat und deshalb den dreckigsten Fiesematenten-Rock -’n’-Roll seit der Erfindung der Schweinebacke machte.

Hier war Handwerk noch Schwerstarbeit. Aber schwupp, Persönlichkeit gespalten, und Pekler ist zugange als Mitglied von Bergheim34, deren Namen nicht umsonst an eine E-Mail-Adresse erinnert, während sie minimalistische Elektronik basteln, die nicht so recht vorangeht, während sie überallhin will, und dabei schlechte Laune macht für mindestens dreieinhalb Winter.

Was so eine rechte multiple Persönlichkeit ist, dem genügt das aber natürlich nicht. Die ganze Zeit über war Pekler nämlich auch noch Sad Rockets. Als solcher lehnt er das Bandprinzip ab, nimmt im eigenen Schlafzimmer auf, hört sich an wie ein Elektronik-Act und spielt (fast) alles mit klassischen Instrumenten und seinen eigenen Händen ein.

Auf der mittlerweile dritten Sad-Rockets-Platte „Transition“ orgelt dann schon mal etwas, was ein James-Bond-Soundtrack hätte sein können wollen, während darunter ein Bollern und Krachen wie aus einem übersteuerten Verstärker liegt. Im nächsten Moment kann dann aber auch der Wohlklang ausbrechen und eine akustische Gitarre verträumt vor sich hin klimpern. In einem anderen Track hüpfen die Beats dafür so krank hin und her, dass man ständig zum CD-Player springt, weil man denkt, der muss doch kaputt sein. Ist er aber nicht. Kaputt ist nur Sad Rockets, die multiple Persönlichkeit. Der mit der gespaltenen Musik, die nicht so recht weiß, ja gar nicht wissen will, was sie will, wohin und wieso. Und wozu auch. Ist doch hübsch, solange sich ich, mich und mein Selbst so gut miteinander verstehen. Feine Sache das. THOMAS WINKLER

Heute, 22 Uhr, Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8 – 10