: Weniger grob fahrlässig
Zur „wahren“ Millenniums-Party 2001 wird alles anders: Die Siegessäule wird nicht zum Lichtdom, sondern zur Lichtspur durch die eigene Geschichte: ein echter Hüttenzauber
Es soll alles ganz anders werden. Statt eines „Lichtdoms“ wird die Siegessäule in der Nacht von 31. Dezember 2000 auf den 1. Januar 2001 in bunte Feuerwerksfarben eingetaucht. „Metamorphosen“ heißt die Pyro-Musik-Show für 8 Millionen Mark, die 15 Minuten dauern wird. Und auch bei den Besucher-Hochrechnungen für die „deutschlandweit größte Silvesterparty“ setzt man die Zahlen niedriger an. 1,5 Millionen Menschen werden auf der Straße des 17. Juni erwartet. Zum Millenniumsspekatakel 2000 waren über 2 Millionen Besucher gekommen. Das hatte 40 Millionen Mark verschlungen und wegen des umstrittenen Konzepts für einen Skandal gesorgt. Der Künstler Gert Hof hatte die Siegessäule in eine Art „Lichtdom“ getaucht und damit Parallelen zu den Flakscheinwerfer-Inszenierungen des Hitler-Architekten Albert Speer heraufbeschworen.
Diesmal gibt man sich also weniger grob fahrlässig. „Welcome 2001, Berlin open end“ klingt zwar nicht seriöser als „Lichtdom“. Doch das Feuerwerk, das im Vorjahr weitgehend in dichtem Nebel verschwand, planen die Veranstalter kleiner. „Spezialeffekte“ wie Flammenbälle, Höhenblitze und 15 Meter hohe Vulkanen an der Siegelssäule prophezeit Willy Kausch, Geschäftsführer der Silvester in Berlin GmbH.
Hat man also gelernt? Die von Klanginstallationen umrahmten Feuerwerks-„Metamorphosen“ zeigen „in verschiedenen Bildern die wechselvolle Geschichte der Siegessäule“, sagt der Pyrotechniker Markus Katterle von „Flash Art“, der Firma, die die Raketen zündet. Die Siegessäule stehe als Symbol für die Nazi-Zeit – Katterle zeigt diese Phase in rotem Höllenfeuer – und auch für die Love Parade – dafür werden weiße Lichtbömbchen explodieren (vielleicht in Anspielung auf Ecstasy). „Wir haben uns mit der Historie auseinander gesetzt“, meint Katterle. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Siegessäule werde „nicht didaktisch“, sondern „emotional“ thematisiert – im 50-Meter-Sicherheitsabstand zur Metamorphosen-Säule.
Selbst der Denkmalschutz gibt sich angesichts dieser ungefährlichen Lage dieses Jahr besänftigt. Weil keine „Superbomben“ (Katteler) gezündet werden, die das Bauwerk erschüttern, habe der „Denkmalschutz dem diesjährigen Projekt an dem unter Schutz stehenden Bau zugestimmt“, so der Pyromane. Nur die Autofahrer werden wieder fluchen: Ab dem 28. Dezember wird am Großen Stern aufgebaut. Bis zum 2. Januar ist mit Straßensperrungen zu rechnen.
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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