Sternzeichen der Zivilisation

Die DaimlerChrysler AG feiert ab heute ein Jahr lang „hundert Jahre Mercedes“

Der Tag, an dem die Menschheit das Feuer nutzen lernte, war ein großer Tag, steht auf der firmeneigenen Homepage. Denn die Errungenschaften, heißt es dort, die dieser Tag nach sich zog, schufen den Grundstein unserer Zivilisation. Heute feiert die Firma den krönenden Stern dieser Zivilisation: Mercedes-Benz wird 100 Jahre alt. Mit einer Feierstunde läutet die DaimlerChrysler AG das Jubiläumsjahr der Marke mit dem Stern ein.

Fest von der Bedeutung seiner Entwicklung – dem Verbrennungsmotor – überzeugt, schickte Gottlieb Daimler seiner Frau Ende des 19. Jahrhunderts eine Ansichtskarte. Über seinem Haus hatte er einen Stern gekritzelt und behauptet: „Dieser Stern wird einmal segensreich über unserem Werk aufgehen.“

Ernst Jellinek war kein solcher Visionär, eher ein spinnerter Geschäftsmann. Im März 1900 meldete er zwei „Daimler Phönix“-Gefährte zur Rennwoche in Nizza an – diskret, versteht sich. Als Pseudonym herhalten musste Tochter Mercédès – die Wagen, von denen nur fünf Stück gebaut wurden, starteten als „Mercédès I“ und „Mercédès II“. Allerdings geriet die Geburtsstunde des Markennamens zum Fiasko: Eines der Rennautos – die 27 PS schafften in der Spitze 80 km/h – fuhr beim Bergrennen gegen eine Wand. Der Fahrer erlag seinen Verletzungen.

Vater Jellinek schreckte das wenig. Er bestellte im April beim angekratzten Gottlieb Daimler 36 Fahrzeuge zum Weiterverkauf. Natürlich mit Geschäftsbedingungen: Die Fahrzeuge sollten unter dem Namen „Mercedes“ firmieren. Und: Daimler sollte einen besseren Rennwagen bauen, der selbstredend „Mercedes“ hieß. Ingenieur Wilhelm Maybach konstruierte das bestellte Fahrzeug, mit längerem Radstand, tieferem Schwerpunkt, erstem Bienenwabenkühler, mit Pressstahlrahmen und Frontmotor. Auf der Rennwoche von Nizza fährt das Modell – 37 PS schaffen 150 Stundenkilometer – alle Konkurrenten in Grund und Boden. „Wir sind in die Ära Mercedes eingetreten“, kommentierte der damalige Generalsekretärs des Automobilclubs von Frankreich, Paul Meyan. Das Zeitalter der individuellen Motorisierung konnte beginnen.

„Nur leider brachte das Feuer auch viel Unheil“, heißt es im Zeitalter der Digitalisierung unter www.Mercedes-Benz.de. Es wäre zu viel verlangt, dort etwas über Umweltzerstörung, Verkehrstote, Diktatur der Mobilität oder Klimakollaps lesen zu wollen. Schließlich will man feiern. Dazu hatte der angeschlagene Autogigant zuletzt nicht viel Gelegenheit. Außerdem war es Gottfried Daimler, der 1888 die erste Motorspritze zur Brandbekämpfung baute. NICK REIMER