Otto-Suhr-Institut besetzt

Politikwissenschaftler lehnen sich gegen Konzeptlosigkeit und chronischen Geldmangel auf. Der Warnstreik soll sich auf andere Fachbereiche ausweiten

„Visions-Lose“ wurden verteilt, Transparente waren gespannt, und auch der obligatorische Kleinlaster mit einer Musikanlage fehlte nicht: 300 Studenten haben am Montagabend das Otto-Suhr-Institut an der Freien Universität besetzt.

„Wir fühlen uns nach wie vor und immer mehr verarscht“, begründet Jan Schevitz, einer der Organisatoren, den eintägigen „Warnstreik“. Monatelang hatte eine Kommission unter Beteiligung der Studierenden um ein neues Konzept für das politikwissenschaftliche Institut gerungen. Sie wollen ein Querschnittstudium, in dem sich die Studierenden auch künftig mit ökologischen und ökonomischen Bedingungen, Rechts- und Genderfragen auseinander setzen müssen. Jedoch solle es mehr Pflichtveranstaltungen in diesen Bereichen geben.

Einen Tag vor der letzten Sitzung überraschte eine Gruppe Professoren um Direktor Eberhard Sandschneider mit einem neuen Papier. Sein Schwerpunkt: die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen. Bis Freitag muss der Universitätsleitung das Konzept vorliegen.

Die streikenden Studenten monieren, dass das Sandschneider-Papier nicht auf neue Herausforderungen eingehe, sondern sich einseitig auf die „vermeintlichen Kernbereiche“ beschränke.

Ein weiterer Grund für die Besetzung ist der chronische Geldmangel. Wegen des Einstellungsstopps für studentische Hilfskräfte stehen – von der Studienberatung bis zum Tutorenmodell, nach dem ältere Semester die jüngeren ins Studium einführen – viele innovative Projekte auf der Kippe. Einige neue Bücher konnten nur gekauft werden, weil ein Professor Geld gespendet hat.

Die Geldnot ist ein allgemeines Problem an allen Fachbereichen, und die Besetzer hoffen, dass sie mit ihrer Aktion einen Grundstein für weitere Proteste legen. Doch es gibt auch Skeptiker: OSI-Studentin Antje Stephan ist nicht überzeugt davon, dass der Funke auf andere Institute überspringt: „Ich kann doch nicht in den blauen Dunst hinein über libertäre Bildungssysteme diskutieren“, beschwerte sie sich gestern. Statt Theorie müsse es mehr Praxis geben. Ansonsten werde der Streik genauso erfolglos wie 1998 verlaufen. Es sei erfolgversprechender, mit 500 Studenten den Potsdamer Platz zu blockieren. Sie ist nicht die einzige Kritikerin: „Von dieser einzelnen Aktion wird nichts bei den Politikern ankommen“, meinte ein Streikposten im Nieselregen, „aber man muss ja wenigstens irgendwas tun.“

Zwei Studenten aus Frankreich und dem Kongo, die ihren Prof sprechen wollten, taten auch gleich „irgendwas“: „Wir gehen erst mal essen.“ Antje Stephan dagegen ging in eine Arbeitsgruppe. Damit vielleicht doch was bei den Politikern ankommt. MATTHIAS SPITTMANN