: Wahl mit Großmutter und Strohmann
Die Vorwahl um die Präsidentschaft in Honduras nimmt absurde Züge an und führt zu Straßenschlachten
SAN SALVADOR taz ■ Die Nationale Partei und die staatlichen Sicherheitskräfte von Honduras stehen sich traditionell sehr nahe. In der vergangenen Woche aber kamen sie sich auf eine sehr unsanfte Art zu nahe: Tausende von Anhängern der „Nationalen Partei“ (PN) lieferten sich in Tegucigalpa tagelange Straßenschlachten mit der Polizei. Auch im Norden des Landes kam es zu Scharmützeln. Vorläufige Bilanz: mehrere Dutzend Verletzte auf beiden Seiten.
Der Grund des Aufruhrs heißt Ricardo Maduro. Er ist der aussichtsreichste Kandidat der Nationalen für die Präsidentschaftswahl in einem Jahr. Doch der von Mitgliedern der „Liberalen Partei“ (PL) dominierte Nationale Wahlrat weigert sich, Maduro für die Vorwahl am kommenden Sonntag zu registrieren.
Der Grund: Der Präsident muss laut Verfassung von Geburt an Honduraner sein. Maduro aber wurde in Panama geboren. Seine Eltern waren Panamaer. Doch er verweist auf eine honduranische Großmutter, die per Blutrecht die Staatsbürgerschaft auf ihn übertragen habe. Präsidentschaftswahlen in Honduras werden zwischen zwei Parteien ausgemacht: den Nationalen und den Liberalen. Die PN wird vom Landadel dominiert, der eine enge Allianz mit den Streitkräften pflegt. In der PL herrscht das Handels- und Finanzkapital. Jede der beiden Parteien besteht aus Untergruppen, die sich zum Teil mehr befehden als die politische Konkurrenz.
Um dabei Blutvergießen zu vermeiden, galt bis 1989 ein besonderes Wahlverfahren: Die Vorwahlen der Parteien und die Präsidentschaftswahl fanden in einem Wahlgang statt. Sieger war die Partei mit den meisten Stimmen, Präsident wurde der Kanidat dieser Partei, der am besten abgeschnitten hatte. So kam es, dass 1985 vier Liberale gemeinsam mehr Stimmen bekamen als drei Nationale. Aber ihr bester Kandidat, Jose Azcona, kam bloß auf 25 Prozent, während Rafael Callejas als bester Nationaler 45 Prozent erhalten hatte. Trotzdem wurde Azcona Präsident.
Um solche Absurditäten in Zukunft zu vermeiden, werden die Vorwahlen seit 1989 vor der eigentlichen Wahl abgehalten. Bei den Liberalen zeichnet sich kein eindeutiger Sieger ab. Bei den Nationalen galt Maduro als sicherer Gewinner.
Nach dem er zunächst die Stimmung angeheizt hatte, gab er sich am Wochenende plötzlich als Staatsmann: Er zog seine Kandidatur vorläufig zurück und setzte seinen Wahlkampfleiter Luis Consenza als Strohmann ein. Der sagte, er werde sofort wieder abtreten, wenn des Meisters honduranische Nationalität anerkannt wird. Es wäre dann das erste Mal, dass einer, der nicht an der Vorwahl teilgenommen hat, zu deren Sieger erklärt wird. TONI KEPPELER
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