Schwein? Ja, wenn es alt genug ist

Hunger auf Schwein: Spanferkel, Braten, Schnitzel – so oft wie Schwein liegt in Deutschland kein anderes Fleisch auf dem Teller: Fast 41 Kilogramm Schweinefleisch aß der deutsche Durchschnittsbürger 1999 nach Angaben der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Landwirtschaft (ZMP). Aber verglichen mit anderen Ländern ist selbst das noch wenig: In Dänemark liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei 66 und in Spanien bei 67 Kilogramm. So niedrig wie im vorigen Jahr war der Preis für Schweinefleisch in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren nicht. Experten rechnen damit, dass wegen höherer Nachfrage und teureren Futters aufgrund des Tiermehlverbots jedoch bald mehr für Schweinefleisch bezahlt werden muss.

Appetitzügler: In 100 Tagen wird heute ein Schwein dank Kraftfutter und Wachstumsförderern wie Antibiotika schlachtreif gezüchtet: 800 Gramm nehmen die Tiere pro Tag zu; 2,7 Kilogramm Futter reichen zur Erzeugung von 1 Kilo Schweinefleisch. „Die Tiere sterben nur deshalb nicht an etwas anderem, weil sie so kurz leben“, sagt Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter. Skelett und innere Organe können bei der Zucht auf schnellstmöglichen Fleischansatz nicht mithalten. Zwar will der Verbraucher fettarmes Fleisch, doch auch die Züchter profitieren: Für Fettansatz ist etwa doppelt so viel Futterenergie nötig wie für die gleiche Menge an Muskelfleisch. Gestresste, kranke Tiere sind das Ergebnis der Intensivhaltung mit minimiertem Personaleinsatz. Statt auf Stroh stehen die Tiere auf kalten, vom Kot glitschigen Spaltenböden aus Beton über stinkenden Gülleseen – möglichst viele Schweine auf möglichst wenig Raum. Das begünstigt Krankheiten. Der vorbeugende Einsatz von Medikamenten ist die Regel. Antibiotika im Fertigfutter sorgen zudem für eine bessere Futterverwertung und drücken auf diese Weise doppelt die Kosten. Subventioniert von der EU, seien in den vergangenen Jahren jede Menge Schlachthöfe geschlossen worden, so Greenpeace. Lange Anfahrtswege sind die Folge. Tierschützer schätzen, dass 0,5 Prozent der stressempfindlichen Schweine beim Transport verenden: mehrere hunderttausend Tiere im Jahr.

Genuss ohne Reue: Ein artgerecht gehaltenes Schwein braucht rund ein Jahr, bis es sein Schlachtgewicht erreicht hat – gemäß der Devise, die früher bei den Bauern gegolten hat: „Ein gutes Schwein sollte seinen Geburtstag erleben.“ Langsames Wachstum, personalintensive Haltung auf Stroh und ökologisches Futter – das hat seinen Preis.

Neben den bekannten Ökolandbauverbänden wie Demeter gibt es eine Vielzahl von Markenfleischprogrammen der konventionellen Landwirtschaft. Supermärkte und regionale Erzeugerverbände – bei den „Herkunftszeichen“ fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Die Richtlinien der Markenfleischprogramme sind, was Haltung, Fütterung oder Medikamenteneinsatz angeht, sehr unterschiedlich. Der Kunde sollte sich also beim Kauf danach erkundigen – oder sich gleich an die Ökolandbauverbände halten. Kauft man sein Schweinefleisch bei einem regionalen Erzeugerverband, tut man zugleich etwas gegen Tiertransporte.

THOMAS STROHM

www.demeter.de; www.bioland.de;www.cma.de