Europa oder „zentralistische Gleichmacherei“?

■ Kleines Nachspiel zu Scherfs Drohung, Nizza an seinem „Veto“ scheitern zu lassen

Die Regierungskonferenz in Nizza ist zu Ende. Fast vergessen ist die Erklärung des Bremer Bürgermeisters Henning Scherf (SPD), die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer würden ihr „Veto“ gegen die Neuordnung der Entscheidungswege der Europäischen Union ausssprechen, wenn Kompetenzen der deutschen Bundesländer in der Daseinsvorsorge nicht vorher garantiert würden. In Nizza war davon jedenfalls keine Rede. Die Mehrheits-Regeln wurden als Voraussetzung für die Neuaufnahme der osteuropäischen Staaten beschlossen.

Hermann Kuhn (Grüne) erinnerte gestern im Landesparlament den Bürgermeister an seine vollmundigen Reden und forderte Scherf auf, die europäische Diskussion nicht noch einmal derart mit „Veto-Positionen“ zu belasten.

In der Sache, erläuterte Kuhn, sei es damals unter anderem um die staatlichen Absicherungen für Landesbanken und kommunale Sparkassen gegangen, die nach Ansicht des Wettbewerbskommissars dadurch einen wettbewerbswidrigen Vorteil hätten. Die WestLB will sich organisatorisch aufspalten, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen; auch die Sparkassen sind zu Verhandlungen mit der EU bereit. Der Förderalismus wird durch beide Vorgänge nicht berührt.

Über die föderalen Kompetenzen gibt es ein Grundsatzpapier der EU, das die Zustimmung der Regierungschefs gefunden habe und klarstellt, dass es keineswegs um die regionale Kultur gehe, sondern allein darum, dass die Länder nicht ihre „regionalen“ Unternehmen wettbewerbswidrig mit Vorteilen für deren Agieren auf dem europäischen Markt auszustatten.

Henning Scherf freute sich vor allem über die „Nizza-Folgekonferenz“, die für das Jahr 2004 beschlossen worden ist. „Ich freue mich, nicht nur Edmund Stoiber freut sich, wir alle freuen uns“, unterstrich Scherf die Einheit der Länder-Ministerpräsidenten in dieser Frage. Es gehe um den „Schutz regionaler Strukturen vor zentralistischer Gleichmacherei“. Auch Kuhn könne es doch nicht gutheißen, wenn die Oper nicht mehr gefördert werden dürfe oder die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Frage gestellt würden. Er werde für die regionalen Strukturen kämpfen, „solange die große Koalition mich in diesem Amt lässt.“

Kuhn konterte, dass die Opernhäuser genausowenig von der EU infragegestellt würden wie die Krankenhäuser, von denen der CSU-Politiker Protzner geredet habe. Derartige „Märchen“ würden aufgetischt, um in der Bevölkerung Ängste vor Europa zu schüren. Einrichtungen, die kulturelle Zwecke verfolgen und nicht wettbewerbsrelevant sind, habe die EU-Kommission ausdrücklich dem föderalen Kompetenzbereich zugeordnet. Die Bundesländer hätten sich ähnlich wie die Nationalstaaten in Nizza verhalten, nämlich versucht, mit Hinweis auf ihre Kompetenzen die Entscheidungsfähigkeit der EU abzublocken. K.W.