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: Statistisch gesehen messen Bundesliga-Schiedsrichter mit zweierlei Maß

Je schwärzer, desto böser?

Jedes fünfte der fast 6,3 Millionen DFB-Mitglieder, so teilt der Deutsche Fußball-Bund mit, habe inzwischen einen ausländischen Pass. Nicht alle kickenden Bürger und Bürgerinnen dieses Landes finden das gut, und um dieser finsteren Geisteshaltung, die sich vor allem in unteren Klassen des öfteren brachial Bahn bricht, entgegenzuwirken, hat der DFB den Spieltag des kommenden Wochenendes von der niedrigsten Kreisklasse bis zur ersten Bundesliga löblicherweise unter das Motto „Kein Platz für Gewalt“ gestellt. Darüber hinaus ziehen „Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Funktionäre und die Fans in den Stadien der Bundesliga und der 2. Bundesliga“ bei Spielbeginn „gemeinsam die rote Karte gegen jede Form von Rassismus und Rechtsextremismus“. (DFB-Mitteilung)

Apropos rote Karte. Just in dieser Woche hat ein äußerst erboster Dieter Hoeneß den Finger zaghaft, aber bestimmt in eine Wunde des deutschen Fußballs gelegt, die in dieser Saison ohnehin schon klafft wie selten zuvor: das Schieds- und Linienrichterwesen. Abgesehen von einer stürmerfeindlichen Abseitsauslegung, die der pure Hohn ist – vor allem wenn man sie mit den exzellenten Darbietungen der Linienrichter bei der EM vergleicht –, abgesehen auch von akuten Blindheitsanfällen, die unter 50.000 Menschen ausgerechnet das Dreigestirn mit Fähnchen und Pfeife heimsuchen, hat der Manager von Hertha BSC auf eine ganz besondere Dimension irregeleiteter Regelinterpretation verwiesen. „Wir gehen in Deutschland auf die Straße, um gegen Ausländerfeindlichkeit zu protestieren, und auf dem Platz ist dann ein Agali das Opfer. Und ich habe die Befürchtung, dass Alex Alves jetzt in die gleiche Richtung läuft“, schimpfte Hoeneß nach dem absurden Platzverweis für Herthas Brasilianer Alves beim 0:4 in Leverkusen.

Auf den ersten Blick ein seltsamer Vergleich. Hier Victor Agali, der vom Cottbuser Publikum permanent rassistisch beschimpfte, von den Energie-Spielern emsig getretene und vom Schiedsrichter kaum geschützte Nigerianer aus Rostock, dort der hitzige Alves, der sich nach einem Zusammenprall mit Leverkusens Kovać sichtlich mühsam einer aggressiven Handlung enthielt, aber dennoch rot sah. Keinesfalls wolle er den Schiedsrichtern Rassismus unterstellen, erläuterte Hoeneß etwas erschreckt seine Worte. Hatte er aber schon getan. Und das möglicherweise keineswegs zu Unrecht.

Die Platzverweise von Krassimir Balakow und Alex Alves am letzten Spieltag zum Beispiel erfolgten eindeutig nicht, weil sie etwas getan hatten, sondern weil ihnen zugetraut und unterstellt wurde, etwas getan zu haben. Die Frage, ob ein deutscher Spieler genauso bestraft worden wäre, drängte sich förmlich auf. Die Statistik sagt: Vermutlich nicht. Von den 14 roten Karten in dieser Saison trafen nur zwei deutsche Akteure, fünf gingen dagegen an dunkelhäutige Spieler. Weit ausgeglichener ist das Verhältnis bei Gelb-Rot. Von 22 Betroffenen waren immerhin neun deutscher Nationalität. Was viel eher das in etwa ausgeglichene Verhältnis zwischen eingesetzten deutschen und ausländischen Spielern in allen Bundesligateams zusammen widerspiegelt.

Bei aller Fragwürdigkeit der Aussagekraft von Statistiken ist diese farbliche Diskrepanz durchaus ein Indiz für den von Dieter Hoeneß verbalisierten Verdacht, dass Vergehen ausländischer Profis härter bewertet werden als die einheimischer Spieler. Die Neigung, es bei Gelb zu belassen, scheint bei Letzteren hingegen größer zu sein. Grob gesagt: Je schwärzer, desto böser.

Und ganz nebenbei: Wenn jedes fünfte DFB-Mitglied Ausländer ist, wie sieht es eigentlich bei den Schiedsrichtern aus? MATTI LIESKE