You Might As Well Jump

Das Jugendradio des Mitteldeutschen Rundfunks verkauft T-Shirts, die das „positive“ Lebensgefühl der Hörer zum Ausdruck bringen sollen. Briefe der Aids-Hilfe blieben bisher unbeantwortet

von HEIKO DILK

Zeugt es von einem Mangel an Feingefühl, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich bin Jump Positiv“ zu tragen? Oder ist ein Schuft, wer da an Aids oder HIV denkt? Dass die Werbeindustrie bisweilen alles tut, um Aufmerksamkeit zu erregen, gehört spätestens seit der Benetton-Schockwerbung zur Allgemeinbildung. Jetzt bedient sich zum ersten Mal ein öffentlich-rechtlicher Radiosender ähnlicher Strategien. Das Ziel, die Hörerbindung der MDR-Popwelle Jump zu steigern, ist ehrenwert, das Mittel hingegen zumindest fragwürdig.

Auf seiner Internetseite tut sich der MDR-Shop eigentlich durch den Verkauf so liebreizender Artikel wie der „Sandmann-Plüschpuppe mit Spieluhr“ hervor. Schon zwei Klicks später aber gibt es besagte Jump-T-Shirts zu bestellen. Deren Aufdruck – weitere Slogans: „Ich gehöre zur Risikogruppe“ und „Ich habe den Jump Virus“ – haben dem MDR immerhin einen Protestbrief der Aids-Hilfe Deutschlands beschert. Geschäftsstellenleiter Jens Rötten: „Das Ganze ist eine unangemessene Verharmlosung des Themas. Besonders stört uns der Begriff Risikogruppe. Wir haben viel Arbeit investiert, um den Begriff endlich aus den Köpfen herauszukriegen.“

Zumindest bei den Jump-Hörern ist er wieder drin. Nach Auskunft des stellvertretenden MDR-Pressesprechers Frank Suppé finden die T-Shirts „reißenden Absatz“. Für ihn ein Zeichen, dass die Hörer die Botschaft verstanden haben: „Ihr seid anders!“ soll sie nämlich lauten, bewusst doppeldeutig sein und zur Auseinandersetzung anregen. – Oder doch nicht? Eine Anspielung auf Aids oder HIV sei nicht beabsichtigt und doch auch überhaupt nicht nahe liegend, sagt Susan Knoll, die oberste Pressesprecherin der Dreiländeranstalt: „Die Begiffe bringen das Jump-Gefühl zum Ausdruck. Die Hörer sind agil, witzig und lebendig.“

Hans Probst, Sozialarbeiter bei der Aids-Hilfe Leipzig, weiß auch nicht, wie die Botschaft verstanden werden sollte, klar ist ihm aber, wie sie verstanden wurde: „Ich habe mit Betroffenen gesprochen und die fühlen sich verarscht.“ Das war natürlich nicht beabsichtigt. Zumindest in diesem Punkt herrscht Einigkeit – auf allen Seiten. Fragt sich allerdings, ob es auf die Absicht ankommt. „Entscheidend“, so Volker Nickel, Sprecher des Werberats und des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft, sei „wie ein solcher Slogan aufgefasst, wie er empfunden wird. Als Berater hätte ich gesagt: Lasst die Finger davon.“

Auch Jürgen Kriesch, Sprecher des Hörfunkrates beim MDR, hält die Werbung zumindest für aggressiv. Er hofft, dass ein Gespräch zwischen den MDR-Verantwortlichen und der Aids-Hilfe zustande kommt. Bei Jump versicherte man denn auch, dass der Brief der Aids-Hilfe – der übrigens vom 21. September datiert – bald beantwortet wird.

Einstweilen versteht Michael Schiewack, der Programmchef von Jump, noch nicht, was so schlimm an der Verwendung der Begriffe „Risikogruppe“, „positiv“ und „Virus“ sein soll. Dies seien lediglich starke Worte, die wegen ihrer Werbewirksamkeit benutzt werden. Überhaupt sei der Ursprung der Slogans ein anderer, ganz ohne Aids-Bezug: „Risikogruppe“ etwa sei aus der wechselvollen Geschichte des Senders erklärbar. Wir erinnern uns: Jump hieß ganz früher MDR live, mutierte dann zu Jump FM, was ein Gericht im Februar auf Betreiben des Privatradios Jam FM wegen Verwechslungsgefahr untersagte. Und Positiv komme aus dem Fitness-Bereich, T-Shirts mit dem Aufdruck „Think Positive“ habe es ja früher auch gegeben, sagt Schiewack. Und Virus bringe lediglich zum Ausdruck, dass sich die Jump-Gemeinde ausbreite wie eine Epidemie.

Der öffentlich-rechtliche Kanal erreicht so 370.000 HörerInnen pro Werbestunde – HIV-positiv sind in Deutschland 37.000 Menschen.