DIE WIRKLICHE GLEICHSTELLUNGSPOLITIK MUSS ERST NOCH ANFANGEN
: Besser spät als nie

Alles sollte eigentlich schon mit den Gesetzen der 80er-Jahre erledigt sein. Gut, wenn man nachlegt, und besser spät als nie. Doch mit der sich ausdehnenden Tiefe und Tragweite der indirekten Diskriminierung jenseits formeller Gleichheit, mit den Herausforderungen der Zeit also und einem „neuen Aufbruch in der Frauenpolitik“ hat das nicht viel zu tun. So positiv die Beschränkung für den gewalttätigen Mann und die perfektere Positionierung der Frau in einer männlichen Berufswelt ist – in beiden Gesetzen wird in der kleinsten Nische kuriert und das traditionelle Lebensmodell Mann weiterhin unter Quarantäne gestellt.

Die eigentlichen Probleme beim Mangel an Gleichberechtigung liegen schon längst nicht mehr an einem Mangel auf Frauenseite. Sie liegen im Machtzuwachs weniger führender Männer zulasten vieler sozialer Verlierer unter Männern. Sie liegen am Mangel an Alternativen für jene Männer, die durchaus bereit sind zur Partnerschaft. Sie liegen an verschärften Berufsnormen und verengten Erwerbschancen einerseits und wachsenden Anteilen privater und unbezahlter Arbeit andererseits, auch Teilzeitarbeit hilft hier kaum. Und sie liegen an einem definitiv männlich normierten Verständnis von Wirtschaft, Produktivität und Allgemeinwohl.

Das ganze Konzept ist veraltet. Moderne Gleichstellungspolitik müsste Männern im Erziehungs„urlaub“ die relativ größere Lohneinbuße ausgleichen und männliche Berufsbiografien belohnen, die Brüche aufweisen. Sie müsste Frauen, die sich trotz großer Nachteile selbständig machen, ebendiese kompensieren. Sie müsste – gemessen etwa am Durchschnitt der Lohnsummen oder der Arbeitsplatzverteilung – der Wirtschaft, die „halbe-halbe“ macht, handfeste Steuer- und Subventionsvorteile bescheren. Sie müsste – über gesellschaftspolitisch operierende Stabsstellen – Arbeitsgestaltung, Familiensystemen und Politik umbauen.

Da auch die „Frauenpolitikerinnen“ hinterherhinken, sind sie komplett abhängig vom Wohlwollen der führenden Männer. Gleichstellungspolitik, die uns wieder richtig freuen kann, muss erst anfangen. MECHTHILD JANSEN