Legaler BSE-Betrug

Deutsche Rinder werden exportiert, in anderen EU-Ländern geschlachtet und das Fleisch wieder eingeführt – ohne Schnelltest. Sechs neue BSE-Fälle in Frankreich

BERLIN dpa/rtr/taz ■ Deutsche Viehhändler versuchen offenbar die erst seit einer Woche vorgeschriebenen BSE-Schnelltests für mehr als 30 Monate alte Rinder zu umgehen. Die Tiere werden nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums in Deutschland aufgekauft, in anderen EU-Ländern geschlachtet und dann wieder nach Deutschland importiert – ungetestet, denn Tests sind nur in Deutschland vorgeschrieben –, und dennoch legal. Schlachthöfe in den Niederlanden arbeiten derzeit nach Angaben der deutschen Fleischindustrie rund um die Uhr, während Rinderschlachtung in Deutschland fast zum Erliegen gekommen ist.

„Wir haben gehört, dass Rinder aus dem nördlichen Nordrhein-Westfalen und dem Aachener Raum nach Holland und Belgien gebracht werden, um sie dort zu schlachten“, berichtet ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums. Nach Angaben aus Niedersachsen werden dabei rund 250 Mark je Rind gespart. Das seien jedoch keine „kriminellen Machenschaften“, so Ministeriumssprecher Hanns-Dieter Rosinke. In den Niederlanden geschlachtete Rinder könnten frei auf dem EU-Binnenmarkt gehandelt und von deutschen Wurstherstellern aufgekauft werden.

Der Bundesverband der Versandschlachtereien hat von der Bundesregierung Maßnahmen gegen das Schlachten deutscher Rinder im Ausland ohne BSE-Test gefordert: In der EU müssten gleiche Wettbewerbsbedingungen durch einheitliche Auflagen geschaffen werden.

Die Agrarminister der Länder hatten die Bundesregierung zu einem nationalen Alleingang aufgefordert: Wenn Brüssel nicht sofortige BSE-Schnelltests in allen EU-Ländern vorschreibe, solle ein Importverbot für nicht getestetes Fleisch von Rindern über 30 Monaten erlassen werden. Dann drohe aber ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel wegen der Nichtumsetzung von EU-Recht mit einer möglichen Strafe von bis zu 1,4 Millionen Mark am Tag, so Rosinke. In der EU sind BSE-Schnelltests für Rinder über 30 Monaten erst von Januar an Vorschrift.

Nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums von Schleswig-Holstein haben die Niederlande inzwischen eine Eilverordnung erlassen, die morgen in Kraft treten soll. Danach soll importiertes Vieh so behandelt werden wie im Exportland. Für Rinder aus Deutschland wären also auch bei einer Schlachtung in den Niederlanden Schnelltests vorgeschrieben.

Unterdessen sind in Frankreich sechs neue Fälle von Rinderwahnsinn aufgetreten. Das Landwirtschaftsministerium in Paris teilte gestern mit, die BSE-Fälle seien bei Milchkühen in fünf verschiedenen Départements festgestellt worden. Damit wurden in Frankreich seit Jahresbeginn 135 Fälle von Rinderwahnsinn entdeckt. THM