Hertas unrechtmäßiger Titel

■ ... oder wie die Bundesjustizministerin in der Bürgerschaft vorkommt / Szenisches aus dem Landesparlament und Absurdes zur Doktorarbeit von Däubler-Gmelin

„Sehr geehrte Frau Däubler-Gmelin, angesichts der Tatsache, dass Sie zwar vermutlich eine Doktorarbeit geschrieben haben und ihren Titel an der Bremer Universität erlangt haben, dann aber nicht die in diesem Falle übliche Veröffentlichung Ihrer Arbeit vorgenommen haben, sehen wir uns leider gezwungen, Ihnen hiermit den Titel, den sie seit fast dreißig Jahren zu Unrecht führen, abzuerkennen.

Schämen Sie sich. Mit freundlichen Grüßen und nix für ungut,

Ihr Bremer Parlament.“

Klaus Bürger, Jörg Jäger, Jens Eckhoff, alle CDU, schreiben in ihren kühnen Träumen vielleicht solche Briefe. In der harten Wirklichkeit der großen Koalition reicht es nur zur kleinen Anfrage betreffend Herta Däubler-Gmelin, ihres Zeichens SPD-Bundesministerin für Justiz und eben auch Trägerin der Doktorwürde. Die hat sie in Bremen erworben, aber, so ermittelte ein findiger Focus-Journalist, nienienie hat sie ihre Doktorarbeit – „Bildungsurlaub für Arbeitnehmer“ – veröffentlicht. Ja geht denn das? „Welche Auswirkungen hat das gegebenfalls auf die Berechtigung zur Führung des Doktortitels.“ Und: „Sieht der Senat Anhaltspunkte dafür, die weitere Führung des Titels zu versagen?“

Soweit zum Inhalt der Anfrage, die der bildungspolitische Sprecher Herr Bürger mit viel Würde und Ernst vortrug. Es antwortete mit demselben Ernst Rainer Köttgen, SPD-Staatsrat im Bildungsressort. Frau Däubler-Gmelin ist demnach die Doktorwürde verliehen worden, als die Promotionsordnung vorsah, dass die Uni selbst die Arbeiten „in angemessener Frist“ zu veröffentlichen hat. Erst 1977, also nach Frau Däubler-Gmelins Promotion, legte ein neues Verfahren fest, dass dem Titelerwerb die Veröffentlichung vorausgehen muss.

Pech gehabt also, Herr Bürger, kommen wir zu der Anfrage zweitem Teil: Wie oft hat denn die Uni schon Titel verliehen, ohne dass eine Veröffentlichung vorlag?

Staatsrat Köttgen: Darüber liegen keine Unterlagen vor.

Bürger: Die Universität kann also keine Auskunft über Veröffentlichungen geben?

Köttgen: „Doch, die Uni kann über Veröffentlichungen Auskunft geben, aber Sie haben nach Nicht-Veröffentlichungen gefragt.“

Bürger: „Herr Köttgen, es ist mehr als peinlich.“

Matthias Güldner (Grüne) stellte dann die ultimative so genannte Zusatzfrage: „Herr Köttgen, hatten auch Sie das Vergnügen, die Doktorarbeit von Helmut Kohl zu lesen, und sind Sie angesichts dessen mit mir der Meinung, dass es manchmal besser ist, wenn Promotionen nicht veröffentlicht werden?“

Ausgelassene Heiterkeit auf den Bänken von Rot und Grün.

Köttgen: „Ich hatte leider nicht das Vergnügen ...“

Jetzt greift Bürgerschaftspräsident Weber ein: „Herr Köttgen ...“

Köttgen: „Ich hatte nicht das Vergnügen ...“

Weber (lauter): „Herr Köttgen ...“

Köttgen: „Ich hatte wie gesagt nicht ...“

Weber, jetzt sichtlich angefasst: „Nichts gegen einen hohen Unterhaltungswert der Debatten, aber ich kann nicht zulassen, dass das hier zu einer Kabarettveranstaltung wird.“ Das kann er nicht, und wenn es doch eine war, dann nicht wegen Güldners Zusatzfrage. hey