2.000 Anschläge
: „Die Kultur braucht mehr Geld!“

■ Verweigerungshaltungen, Blockaden und Boykotte bringen die Kulturszene keinen Schritt weiter: Der kmb-Geschäftsführer Volker Heller errechnet ein Zwölf-Millionen-Mark-Loch im Kulturetat und zeigt in einem Gastkommentar Wege auf, es zu stopfen

Am heutigen Freitag will sich mit den beiden Bürgermeistern und den Vorsitzenden der CDU- und SPD-Fraktionen in der Bürgerschaft vier Hauptdarsteller der großen Koalition über die Streitfälle der Bremer Regierungspolitik den Kopf zerbrechen. Dazu gehört auch die so genannte Beleihung der Controllingesellschaft kmb, die dadurch von einer formal untergeordneten Service-Einrichtung zu einem gleichwertigen oder gar mächtigeren Pendant der senatorischen Kulturabteilung würde. Wie berichtet ist die SPD dagegen, während die CDU auf der Beleihung besteht. Über ein halbes Jahr währt dieses Gerangel jetzt schon. Dabei ist wertvolle Zeit verstrichen, glaubt der kmb-Geschäftsführer Volker Heller. In einem Gastbeitrag für die taz lässt er die Diskussion über das Pro und Contra der Beleihung außer acht. Er beschreibt statt dessen, worauf es in der Bremer Kulturpolitik seiner Ansicht nach in den nächsten Jahren ankommt.

Eine starke und lebendige Kulturszene ist wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität und Attraktivität Bremens. Jetzt geht es darum, die öffentliche Bremer Kulturförderung und die Bremer Kulturlandschaft mittel- und langfristig zukunftsfähig zu machen. Denn auch zukünftig wird die Kultur ein wesentlicher Faktor für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Bremens sein.

Mittel- und langfristige Zukunftsfähigkeit für die Bremer Kulturlandschaft heißt vor allem

1. die breite Vielfalt und Qualität der kulturellen Angebote auch zukünftig nicht nur zu halten, sondern auch zu steigern,

2. auf gesellschaftliche Veränderungen insbesondere in Besuchererwartungen und -verhalten zu reagieren,

3. eine breite Vielfalt der Einrichtungen und Produzenten in der Bremer Kulturlandschaft zu ermöglichen,

4. neuen Strömungen und Innovationen eine Chance zu geben, sich entwickeln und durchsetzen zu können,

5. neue Gestaltungs- und Freiräume zu entwickeln,

6. solide und mittelfristig stabile Finanzgrundlagen für Einrichtungen herzustellen, um die kulturpolitisch erwünschten Effekte für Bremen zu erzielen.

Die Kulturförderung und -steuerung Bremens hat sich über lange Zeiträume hinweg als zu kurzfristig geplant und als zu unübersichtlich umgesetzt erwiesen. Die Folgen zeigen sich unter anderem in erheblichen Finanzkrisen zahlreicher Kultureinrichtungen und der Kulturfinanzierung insgesamt.

Desweiteren entsteht allein durch tarif- und inflationsbedingte Kostensteigerungen in den Kultureinrichtungen eine jährlich wachsende Finanzierungslücke, die voraussichtlich im Jahr 2005 schon über zwölf Millionen Mark betragen wird. Dazu kommen Risiken erheblicher Größenordnung aus bisher drittfinanzierten Personalkosten, zum Beispiel für abgeordnete Lehrer des Bildungsressorts, die in Kultureinrichtungen tätig sind und deren mittelfristige Finanzierung nicht gesichert ist.

Deshalb braucht der Bremer Kulturbetrieb mehr Geld, um auch morgen noch eine starke Rolle in Bremen zu spielen. Die Frage ist nur: Wo soll das Geld herkommen?

In den derzeitigen Auseinandersetzungen bilden sich zwei Lösungswege deutlich heraus:

Der eine Weg sieht eine Lösung durch betriebswirtschaftliche Optimierung und Prioritätenbildung vor. Mittels Kostensenkungen und Einnahmesteigerungen wird in den Einrichtungen und Sparten das zusätzlich benötigte Geld erwirtschaftet, um die benötigten Arbeitsgrundlagen und neue Freiräume mittelfristig herzustellen. Gleichzeitig muss Bremen in den Zielen der öffentlichen Kulturförderung Prioritäten bilden, welche Bereiche der Kulturszene zukünftig besonders gestärkt werden sollen und welche anderen Bereiche sich gegebenenfalls zukünftig stärker selbst tragen müssen. Diese Lösung zum Erfolg zu bringen, setzt erhebliche Flexibilität und Offenheit in den Einrichtungen für neue Strukturlösungen und Verzicht auf bisherige Besitzstände, gerade bei Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, voraus. Einzelinteressen müssen gegebenenfalls zugunsten der Solidarität für die Gesamtentwicklung der Kulturlandschaft zurückgestellt werden.

Die Kulturszene ist einem anderen Lösungsweg zugetan: mehr Geld durch Erhöhung des Kulturetats. Dieser Weg kollidiert aber mit den vom Bremer Senat erklärten Zielen zur Haushaltssanierung. Wer vor dem Hintergrund der gigantischen Haushaltskrise Bremens auf Dauer mehr Geld oder auch nur das gleiche Geld wie bisher haben will, muss nachweisen können, dass alle eigenen Optimierungsanstrengungen ausgeschöpft sind. Denn eine Erhöhung der Pro-Kopf-Subventionen von Besuchern im Kulturbetrieb muss vor dem Hintergrund von Kürzungen in anderen Politikfeldern wie zum Beispiel Soziales oder Sport genau und plausibel begründbar sein. Hierfür müssen die Kosten-, Leistungs- und Finanzierungsstrukturen der Einrichtungen sehr transparent gemacht werden.

Auf welchem Weg das benötigte Geld auch beschafft wird (und möglicherweise wird es eine Mischung beider Lösungen sein): Wir müssen und können heute die Grundlagen dafür legen, dass Bremen auch morgen noch eine starke Kulturlandschaft hat. Die Aufgabe der „k.m.b.“, so wie sie von Bremen gegründet wurde, ist, diese Grundlagen mit herzustellen. Verweigerungshaltungen, Blockaden und Boykotte bringen die Kulturlandschaft der Problemlösung und oben genannten Zukunftsfähigkeit kein Stück näher. „Wagen und winnen“ ist das unternehmerische Motto, das Bremen in vielen Bereichen, auch in der Kulturlandschaft stark gemacht hat. Das sollte auch für die Zukunft gelten.

Volker Heller