Grüne: „Schulte'sche Chaostage“

■ Bürgerschaftsdebatte über geplante Polizeigesetzesnovelle / Streit um Todesschuss-Äußerung: „In Gladbeck wäre so das Schlimmste verhindert worden“ / Grüne ernten viel SPD-Applaus

Es geht ein tiefer Riss durch die Große Koalition. Der Anlass: Die Polizeigesetznovelle.

Während die CDU unter der öffentlichkeitswirksamen Rubrik „Innere Sicherheit“ eine Reform plant, die weit über die Wünsche sogar der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hinaus geht, legt sich die SPD quer. Die unter der Präventionsprämisse im Gesetzentwurf erweiterten Eingriffsrechte der Polizei gehen ihr zu weit. Die Freiheitsrechte der Bürger müssten gewahrt bleiben, heißt es – unisono mit der GdP und der Grünen Opposition – bei vielen Punkten. Auch die rechtliche Legitimation eines von der GdP jedoch gewünschten Todesschusses steht auf dem SPD-Index.

Obwohl SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen wie zuvor der jetzige Fraktionschef Jens Böhrnsen hier in der Vergangenheit klare Wegmarken setzten, blieben sie gestern in der Bürgerschaft verhalten. „Wir warten, bis ein abgestimmter Gesetzentwurf vorliegt“, so Kleen. Hintergrund dürfte jedoch vor allem die für heute angesetzte Koalitionsrunde sein – bei der auch das strittige Polizeigesetz verhandelt wird.

Doch auch die Christdemokraten blieben – trotz der von ihnen selbst beantragten verlängerten Redezeit – eigentümlich oberflächlich, nachdem entgegen vieler Erwartungen nicht Fraktions-Chef Jens Eckhoff ans Rednerpult getreten war. Stattdessen wiederholte Innenpolitiker Rolf Herderhorst gebetsmühlenartig die Forderung, dass Bremen als letztes Bundesland eine polizeigesetzliche Regelung für den tödlichen Schuss auf beispielsweise Geselnehmer brauche – „als ultima ratio“ und zum Schutz der Beamten. Auffällig dabei seine Differenzierung: „den Finalen Rettungsschuss, nicht die Einschränkung auf Leben, den Todesschuss“ – der noch im letzten von der Innenbehörde vorgelegten Entwurf steht. „Im Geiseldrama von Gladbeck hätte eine solche Regelung das Schlimmste verhindert“, so Herderhorst. Dies hätten ihm damals beteiligte Polizeiführer aus Niedersachsen versichert.

Gladbek zu bemühen, „ist in höchstem Maße unanständig“, schäumte da SPD-Mann Kleen. „Die Geisel Silke Bischoff ist im Kugelhagel gestorben“ – nach dem Waffeneinsatz einer Polizei, die damals noch nicht auf Verhandlung und Deeskalation ausgerichtet war. Daraus habe die Polizei gelernt.

Vor diesem Hintergrund konnte der Grüne Matthias Güldner der Koalition leicht einen Schlag verpassen. „Wenn Sie damals von 'Ampel-Gehampel' geredet haben, dann haben wir heute Schulte'sche Chaostage.“ Die Regierungspolitik der Koalition sei von Stillstand geprägt. Davon zeuge nicht nur die heutige Debatte – sondern auch die Umstände, unter denen es dazu kam. Nachdem der Senat sich außer Stande gesehen habe, Auskunft über seine Regierungspolitik zu geben, wolle offenbar die CDU jetzt den eigenen Innensenator vorführen, der auch nach fünfmaligem Aufschub keinen Kompromiss erreicht habe – was Kleen zuvor kommentiert hatte mit: „Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr.“ Güldner unterdessen erntete starken Applaus von der SPD, als er die Genossen daran erinnerte, wie SPD-Innensenator Peter Sakuth vor zehn Jahren allen CDU-Bemühungen für einen Todesschuss widerstand. ede