Kampagne gegen Preisträger

Am Sonntag wurde ihr Engagement für Flüchtlinge mit der Ossietzky-Medaille geehrt. Gestern wurden zwei der Preisträger als Straftäter geoutet. Dabei waren ihre Biografien längst bekannt

von PLUTONIA PLARRE

Drei Tage nach der Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille hat die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen die Internationale Liga für Menschenrechte und zwei der Preisträger losgetreten. Die Liga, so der Vorwurf, habe am Sonntag einen verurteilten Drogenhändler und ein mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung geehrt. Diese Nachricht, so Bild, habe für große Aufregung im Potsdamer Landtag gesorgt. Politiker von SPD über CDU bis zur PDS seien über den Mißbrauch des guten Namens von Ossietzky empört. „Ossietzky würde sich im Grabe umdrehen. Die Liga muss ihre Preisträger gewissenhafter auswählen“, wird der brandenburgische SPD-Abgeordnete Christoph Schulze zitiert.

Die Rede ist von den Preisträgern Christopher Nsoh und Kay Wendel. Der Schwarzafrikaner Nsoh war als Sprecher der Rathenower Asylbewerber stellvertretend für die Brandenburger Flüchtlingsinitiative geehrt worden. Kay Wendel ist stellvertretend für den Verein Opferperspektive ausgezeichnet worden. Dass Nsoh im Jahre 1999 verurteilt wurde und gegen Wendel ermittelt wird, ist kein Geheimnis. Der Sachverhalt in beiden Fällen ist aber keineswegs so klar, wie es die Berichterstattung der Boulevardzeitung vermuten lässt.

Nsoh strebt schon seit längerem ein Wiederaufnahmeverfahren an. Sein Anwalt erklärte gegenüber der taz, dass sein Mandant im Juli 1999 in Düsseldorf wegen Handels mit Kokain zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Nsoh habe die Taten damals gestanden, um nicht ins Gefängnis zu kommen. In Wirklichkeit sei er aber unschuldig. Wendel wird der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigt. Diese soll Hakenkrallen in Bahnleitungen geworfen haben. „Worauf sich der Verdacht begründet ist, mir schleierhaft“, weist Wendel die Beschuldigung von sich.

„Ich stehe voll hinter den Preisträgern“, erklärt die Leiterin der Berliner Regionalstelle für Ausländerangelegenheiten, Anetta Kahane. Diese würden schließlich nicht wegen einer Biographie sonder für ihre Zivilcourage geehrt. Die Präsidentin der Liga für Menschenrechte, Fanny-Michaela Reisin, verweist darauf, dass sich die Liga umfassend über die Arbeiten der Flüchtlingsinitiative und Opferhilfe informiert habe. Über das Vorleben der Preisträger würden keine Recherchen durchgeführt. Dass wenige Tage nach der Medaillenverleihung so ein Artikel in der Zeitung stehe, sei „allerdings bemerkenswert“.

Nach Informationen der taz ist dem Brandenburger Landtag schon länger bekannt, dass Nsoh verurteilt ist und gegen Wendel ermittelt wird. Zu Nsoh gab es im September sogar eine Anfrage im Parlament. Der Pressesprecher von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), Heiko Homburg, hatte schon im September versucht, die taz für das Thema „Medaillenvergabe an Straftäter“ zu begeistern – in etwa nach dem Motto: Über Rechtsextremismus schreiben alle, aber über sowas keiner. Die Vermutung, er stecke hinter der Bild-Geschichte, hat Homburg gestern empört dementiert: „Dafür kann ich meine Hände ins Feuer legen.“