Rote Rosen für Ingo

Wie drei Goldmedaillen einen Menschen verändern können: Inge De Bruijn fühlt sich mittlerweile wie Madonna und gründet mit niederländischen Kollegen das erste Werksteam der Schwimmgeschichte

aus Eindhoven EGON BOESTEN

Was dem großen deutschen Nachbarn bei den Olympischen Spielen in Sydney nicht zuteil wurde, hatten die Niederlande diesmal im Übermaß: echte Olympiastars. Drei Goldmedaillen für die Schwimmerin Inge De Bruijn, drei Goldmedaillen für die Radfahrerin Leontien Ziljaard, zweimal Gold für den Schwimmer Pieter van den Hoogenband. Bei den Kurzbahn-Europameisterschaften, die gestern im spanischen Valencia begannen, findet das holländische Schwimmwunder jedoch erst mal keine Fortsetzung. Zu sehr sind van den Hoogenband und De Bruijn noch vom Feiern und Gefeiertwerden mitgenommen, als dass sie sich für solch ein Ereignis in Form bringen könnten.

Vor allem Inge De Bruijn war in den vergangenen Wochen und Monaten mehr bei Empfängen, Galas, Fernsehshows und anderen Feierlichkeiten zu sehen als im Trainingsschwimmbecken von Eindhoven. Anstatt sich auf die Kurzbahn-EM vorzubereiten jetteten De Bruijn und Van den Hoogenband über das vergangene Wochenende lieber an die Stätte ihrer Thriumphe. Ein australischer Sponsor lockte die beiden mit üppigen Antrittsgeldern zu einem Schauwettkampf ins Aquatic Centre von Sydney.

Zu Hause genießt die 27-jährige De Bruijn ihr neues Leben nach dem Erfolg. Ob beim Tanken an einer x-beliebigen Tankstelle, beim Besuch eines Restaurants in Eindhoven – überall in ihrer Heimat wird sie erkannt und um Autogramme gebeten. Dass sie noch kurz vor Sydney wegen ihres mächtigen Körperbaus als „Ingo de Bruijn“ verspottet wurde und Konkurrentinnen angesichts ihrer späten Leistungsexplosion offen von Doping sprachen, schert seit Sydney niemanden mehr.

Nun wird sie in einem Atemzug mit John de Mol, Prinz Willem Alexander, Johan Cruyff oder Wim Kok genannt. „Ich fühle mich wie Madonna“, sagte die Schwimmerin, die bis vor kurzem noch in völliger Anonymität ihre Einkäufe bei Albert Heijn, der niederländischen Supermarktkette, erledigen konnte. Als sie nach den Spielen zum ersten Mal in ein Geschäft ging, applaudierten die Passanten spontan. „Der Geschäftsführer kam mit einem Strauß Rosen.“

Es bleibt für De Bruijn nicht bei den spontanen Ehrungen. Vor kurzem wurde sie – zusammen mit der holländischen Schwimm-Nationalmannschaft zur Dessousträgerin des Jahres gewählt. Begründung der Jury in Bussum: „Weil die Schwimmerinnen gezeigt haben, wie funktionell Unterwäsche sein kann.“

Zu Beginn des Monats unterzeichnete sie zusammen mit Anky van Grunsveen (Dressurgold) und Leontien Zijlaard bei der Modemacherin Claudia Sträter einen Vertrag. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen tragen die drei künftigKreationen des Modehauses.

Doch auch die Schwimmkarriere verläuft in neuen Bahnen. Ihr Trainer Jacco Verhaeren, mit dem sie liiert ist, hat jüngst bekannt gegeben, dass sich die holländischen Topschwimmer unter dem Firmennamen Philips selbstständig machen. Sie gründen zum ersten Januar das erste kommerzielle Schwimmsportteam. Dabei sind neben Van den Hoogenband und De Bruijn auch der Rückenschwimmer Erik Zwering und Delphinspezialist Joris Keizer. Ziel sind die Olympischen Spiele 2004 in Athen. Ob Inge de Bruijn dann noch dabei ist, will ihr Trainer nicht beantworten. Ebenso wenig die Sportlerin selbst, die lieber noch in Erinnerungen an Sydney schwelgt : „Das nimmt mir niemand mehr. Ich sammel alles, denn ich will mich auch noch daran erinnern, wenn ich 80 bin.“

1992 in Barcelona war sie es, die alles daran setzte, um mit ihrem Idol, dem Weitspringer Mike Powell, auf ein Foto zu kommen. In Sydney kam derselbe Mike Powell auf De Bruijn zu, um mit ihr fotografiert zu werden – diesmal für seine Erinnerungskiste.