Ist das Spitze? Ja, das ist Spitze!

Nach dem 2:4 gegen Kaiserslautern fragt man sich bei der Hertha, wann sich der Schweinehund wieder blicken lässt

BERLIN taz ■ Was ist eigentlich eine Spitzenmannschaft der Bundesliga? Etwa eine, die von ihren letzten acht absolvierten Spielen eines gewonnen hat, die letzten drei in Serie verloren und in der Halbzeit von lediglich 28.146 Zuschauern im eigenen Stadion mit einem gellenden Pfeifkonzert in die Kabine geschickt wird? Exakt: Genau das ist eine Spitzenmannschaft.

Zwar ist Hertha BSC nach dem 2:4 im Berliner Olympiastadion gegen den 1. FC Kaiserslautern auf Rang fünf der Tabelle abgerutscht und der Abstand zum winterlichen Herbstmeister Schalke 04 binnen Wochenfrist von einem Einpunktevorsprung zu einem Fünfpunkterückstand mutiert, doch die Berliner mischen immer noch eifrig mit in der Spitzengruppe, deren Mitglieder inzwischen wieder zusammen glucken wie Hühner nach einem plötzlichen Frosteinbruch. Und wäre es nicht solch ein „verrücktes Spiel“ gewesen, wie es Gästetrainer Andreas Brehme prägnant formulierte, dann hätte es die Hertha gewonnen und stünde nach Abschluss der Hinrunde ziemlich prima da, obwohl man das Kunststück fertiggebracht hat, gegen alle fünf Konkurrenten auf den vorderen Plätzen hochkant zu verlieren.

Zunächst dominierten die Berliner klar, doch dann rannte Buck seinem Bewacher Hartmann davon, eine Übung, an der er zunehmend Gefallen fand, und der erste ernsthafte Angriff der Lauterer endete mit dem 1:0. Solch ein Gegentor reicht zurzeit, um die Berliner in Panik zu versetzen. Fortan flatterten ihnen die Nerven, mit ängstlichem, meist rückwärtsgewandtem Spiel brachten sie das ohnehin nicht sehr geduldige Publikum gegen sich auf, und das Mittelfeld wirkte lethargischer als George Bush und Al Gore zusammen. Dies vor allem, wenn es galt, den schnellen Kontern der Pfälzer zu folgen, bei denen besonders Djorkaeff mehr Platz hatte als Boris Becker in seinem Münchner Haus. „An dem Gegentor hatte die Mannschaft zu knabbern“, nannte Hertha-Coach Jürgen Röber euphemistisch den Zusammenbruch, der prompt das 0:2 durch Klose brachte.

„Zwei grundverschiedene Halbzeiten“ hatte Andreas Brehme beobachtet und wusste auch, woran dies lag: „Die Berliner waren in der Kopfhoheit sehr überlegen.“ Den Wandel von Kopflosigkeit zu Kopflastigkeit bewirkte der nach der Pause eingewechselte Iraner Ali Daei, der den tapsig agierenden Aushilfsstürmer Sverrisson ablöste, welcher nach hinten verbannt wurde und dort zunächst gemeinsam mit Neu-Libero Beinlich für mehr Stabilität sorgte. Lohn der plötzlich wieder intakten Moral war der Ausgleich in einer Phase, die Jürgen Röber Hoffnung für die Zukunft einflößte. „Wir sind zurückgekommen, das gefällt mir“, sagte der Coach, „und wenn wir nicht so ein dämliches Tor reinkriegen, bin ich sicher, dass wir noch gewinnen.“ Das sah Andreas Brehme ganz ähnlich: „Wir waren der glücklichere Sieger.“

Aber Hertha BSC hat eben nicht nur die meisten Tore der Hinserie geschossen, sondern auch jede Menge kassiert – nur die Schießbuden von HSV und VfL Bochum waren noch offenherziger. Warum das so ist, zeigte sich beim spielentscheidenden 2:3, das die Lauterer gegen eine weit aufgerückte Hertha erneut völlig überraschend mit dem simpelsten aller Mittel, einem Pass in den Rücken der an der Mittelllinie postierten Dreierkette, erzielten. „Hat der Klose aber auch sehr gut gemacht“, knurrte Manager Dieter Hoeneß, der einräumte, dass der Mannschaft vor der Winterpause „ein bisschen die Luft ausgegangen ist“, der aber ebenfalls Optimismus aus der Aufholjagd schöpfte. „Den inneren Schweinehund überwinden, das zeichnet eine Spitzenmannschaft aus.“ Dennoch wäre es besser, wenn sich am Sonntag im „Spitzenspiel“ gegen Bayern München besagter Schweinehund gar nicht erst blicken ließe. MATTI LIESKE

Hertha BSC: Kiraly - Rehmer, van Burik (46. Daei), Simunic - Deisler, Dardai, Beinlich, Tretschok (82. Wosz), Hartmann (75. Roy) - Preetz, Sverrisson 1. FCK: G. Koch - Yakin - H. Koch, Ramzy - Buck (55. Lokvenc), Pettersson (46. Basler), Hristow, Grammozis, Strasser - Djorkaeff, Klose (74. Schjönberg)Tore: 0:1 Strasser (21.), 0:2 Klose (40.), 1:2 Deisler (60.), 2:2 Preetz (66.), 2:3 Klose (70.), 2:4 Djorkaeff (90.)Gelb-Rot: Deisler (87.) wg. Foulspiel