Die Welt ist nicht genug

Mit der Weltraum-Show „Space Commander“ will sich die Brainpool AG ein weiteres Standbein schaffen. Ihr bisher größter Kunde nämlich wird zum größten Konkurrenten: die KirchGruppe

von THORSTEN ZARGES

Die Welt ist nicht genug. Jedenfalls nicht für Jörg Grabosch. Der Vorstandsvorsitzende der Brainpool TV AG will hoch hinaus – so hoch wie noch kein Fernsehproduzent vor ihm. Ins All. Das bringt Aufmerksamkeit. Schließlich wird nicht alle Tage ein Showkandidat nach gewonnenem Spiel ins All geschossen. Das lässt man sich gern etwas mehr kosten: Für sieben Flüge zur Internationalen Raumstation ISS hat Grabosch etwa 150 Millionen Mark bezahlt. Für diese Summe produzieren andere Leute mindestens 75-mal „Wetten dass ...?“ oder zwölf Jahre Daily Talk.

Ist „Space Commander“ etwa ein Fall von Größenwahn? Der Vergleich mit dem zusammengebrochenen Haffa-Imperium EM.TV drängt sich auf. Dort begann der Niedergang, als trotz diverser Rückschläge munter weiter astronomische Beträge in Projekte mit unsicherem Ausgang investiert wurden. Auch Brainpool ist im Moment nicht ganz frei von Rückschlägen. Dass Hoffnungsträger Ingo Appelt von ProSieben vorzeitig aus dem Programm gekegelt wurde? Egal. Dass Grabosch den Start seines groß angekündigten Internet-Kanals „Comedy World“ auf unbestimmte Zeit verschieben musste, weil der Wunschpartner KirchGruppe plötzlich keine Lust mehr auf eine Zusammenarbeit hatte? Macht nichts. Solche Einwände scheint der „Space Commander“ vergessen machen zu wollen.

Dabei ist der Versuch, ein neues Standbein abseits der Comedy aufzubauen, durchaus sinnvoll. Die goldenen Zeiten der „Wochenshow“, mit der Brainpool neben der reinen Produktion auch erstmals gutes Merchandising-Geld verdient hat, sind mittlerweile vorüber. Stefan Raab ist der einzige wirkliche Goldesel der AG. Mit seinen skurrilen Einfällen bei „TV Total“ beschert der gelernte Metzger nicht nur ProSieben traumhafte Marktanteile um die 30 Prozent, sondern auch Brainpool traumhafte Nebenrechte, die in Form von CDs („Hol mir ma ‘ne Flasche Bier“), Computerspielen oder Websites versilbert werden. Solange die Kuh noch Milch gibt, soll gemolken werden. Im Januar fährt ProSieben daher die „TV Total“-Dosis von einer auf vier Sendungen pro Woche hoch. Denn dann kann der Sender den Ansturm der Werbekunden, die bislang um die überbuchten Inseln am Montagabend ringen, besser verteilen. Zusätzlich bringt Brainpool mit dem Vertriebspartner Axel Springer Verlag eine wöchentliche TV-Total-Zeitschrift auf den Markt. Allein für das Heft sind 50 Millionen Mark Jahresumsatz geplant mit Gewinnen ab dem zweiten Jahr.

So, wie es aussieht, dürfte „TV Total“ allerdings die letzte Brainpool-Zusammenarbeit mit Kirch sein. Denn der will das Geld nun selbst verdienen. Für den ehemaligen Sat.1-Chef Fred Kogel, der im neuen Jahr die neue Produktionstochter KirchMedia Entertainment aufbaut, haben eigene Comedy-Formate neben Reality-Shows Priorität. Das Motto: Wer selbst produziert und alle Rechte behält, kann auch allein Kasse machen.

Die vorzeitige Absetzung der „Ingo Appelt Show“ war ebenfalls ein deutlicher Schuss vor den Bug von Brainpool. Dass „geschmacklose Entgleisungen“ des Komikers als offizielle Erklärung herhalten mussten? Ein halbherziger Vorwand. Als Ergebnis bleibt: Eine junge, in der Entwicklung begriffene Brainpool-Marke ist ruiniert.

„Space Commander“ hat nun das Potenzial, zur Marke zu werden, und zwar weit über deutsche Grenzen hinaus. Der Flug ins All ist für Normalsterbliche eines der letzten verbliebenen Abenteuer. Genau das wird es auch für Brainpool: Die eigens gegründete Tochterfirma Space TV AG soll das Spektakel weltweit vermarkten und ab Herbst 2001 mit unzähligen TV-Shows begleiten. Sieben glückliche „Space Commander“ dürfen bis 2008 mit der russischen Soyouz-Rakete zur ISS fliegen. Von den ersten Castings über den Kosmonautentest in Moskau, die Zeit im All bis zur Landung soll alles multimedial und global aufbereitet werden – Online-Auftritte, Computerspiele und Events inklusive.

Das ist auch nötig, denn der gigantische Produktionsaufwand ist in den 150 Millionen Mark Reisekosten noch nicht eingerechnet. Mit Einnahmen aus TV-Werbung allein ließe sich das nicht bestreiten. Ob das Abenteuer profitabel oder desaströs wird, steht also in den Sternen. Geht die Rechnung auf, wird Grabosch zum internationalen Player. Andernfalls droht ihm ein schmerzhafter Absturz in irdische Tiefen.