Ehrlicher Handwerker

Die Rentenreform zwingt Arbeitsminister Riester zu einem Spagat, der ihn sein Amt kosten könnte

von SEVERIN WEILAND

Die dreitägige Expertenanhörung zur Rente hatte sich Walter Riester erspart. Statt sich der zu erwartenden harschen Kritik an seinem Reformwerk auszusetzen, machte sich der Arbeitsminister auf zu einer lange geplanten Dienstreise ins ferne Australien. Bei seiner heutigen Rückkehr darf sich der SPD-Politiker daher auf eines mit Gewissheit einstellen: auf gehörigen Ärger. SPD und Grüne, die noch vor wenigen Wochen sein Konzept abgesegnet hatten, haben bereits signalisiert, dass sie an Riesters Paragrafenwerk noch einmal Hand anlegen werden. Im Mittelpunkt der Ablehnung steht der so genannte Ausgleichsfaktor, jenes Wortungetüm, das den wahren Kern der Reform verdeckt: nämlich die geplanten Kürzungen. Denn der Faktor führt dazu, dass die Rentner, die ab 2011 aus dem Erwerbsleben ausscheiden, weniger Altersgeld erhalten als die heutige Rentnergeneration.

Nun scheinen SPD und Grüne einen Vorschlag des Verbandes der Rentenversicherungsträger anzunehmen, der den Ausgleichsfaktor modifiziert und bereits den heutigen Rentnern etwas höhere Abstriche zumutet als Riester. Der Unmut über dessen Politikstil ist von Monat zu Monat gewachsen. Zuletzt zog er sich auch den Ärger des Kanzlers zu, als er und Finanzminister Hans Eichel den Aufbau der privaten Altervorsorge eigenmächtig um ein Jahr verschoben.

Der gelernte Fliesenleger Riester, der vor seinem Ministerjob fast 30 Jahre als IG-Metall-Funktionär arbeitete, dürfte sich die ihm aus Parteien und Medien entgegenschlagende Kritik zu Herzen nehmen. Wer ihn beobachtet, weiß, dass er die Schläge nicht ohne weiteres wegsteckt. Dass IG-Metall-Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner seine Reform als „Scheißdreck“ bezeichnete, hat ihn tief getroffen. Riester gilt als lauter und ehrlich. „Über Bande zu spielen“, erklärte er einmal, sei nicht sein Stil.

Doch diese in der Politarena seltenen Attribute können sein größtes Manko nicht überdecken. Wann immer Riester versucht, das ohnehin ausufernde Werk der Rentenreform zu erklären, wird es nur noch komplizierter. Als er kürzlich im Bundestag die Reform verteidigte, wirkte er müde und angestrengt. Riester fehlt jene Lockerheit, die seinen Amtsvorgänger Norbert Blüm auszeichnete – und mit der dieser die Probleme der Altersvorsorge schönredete.

Das immerhin muss zur Ehrenrettung Riesters gesagt werden: Er hat die Reform gewagt, die die Kohl-Regierung schon lange hätte anpacken müssen. Er könnte aber auch der Erste sein, der über sie fällt.