Mit Backpulver kann man nichts machen

Crack: Es muss etwas passieren. Nur was, ist den Experten nicht klar  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ist Crack nur ein Kampfbegriff, den Medien und PolitikerInnen für eine Droge benutzen, vor der sie Angst machen wollen? Das glauben zumindest viele der Fachleute, die sich in den vergangenen zwei Tagen im Jenfeld-Haus zur Fachtagung Crack getroffen haben. Sie wollen deshalb die Droge als das benennen, was es ist: Ein Derivat von Kokain, also eine Droge, die durch chemische Veränderung von Kokain entsteht.

Und sie wollen mit Vorurteilen aufräumen wie dem, dass man aus Backpulver Crack machen kann: „Das deutsche Backpulver enthält Stärke, damit kann man gar nichts machen“, sagt Katja Thane, die seit drei Jahren im Drob Inn in St. Georg arbeitet. „Crack hat die Szene verändert“, stellt sie fest, und das bestätigten ihr auch KonsumentInnen. Etwa 70 bis 80 Prozent der offenen Drogenszene rauchten die Pfeifen. Einige täglich, andere ab und an. Mit dem Crack-Konsum steigen die Aggressionen: „In den Phasen, in denen die Leute Steine rauchen – wie sie es nennen – sind sie entweder erschöpft oder voller Gier und auf der Suche nach dem nächsten Stein.“ Dabei käme es manchmal wegen fünf Mark zu Schlägereien.

Die ExpertInnen fordern, dass endlich etwas geschieht im Kampf gegen die kleinen, weißen Kugeln. „Die Politik stellt sich tot“, sagt Norbert Dworsky, Geschäftführer des Trägervereins „Freiraum“. Da ist er immerhin froh, dass die Bürgerschaft sich endlich um das Thema kümmern will: In den Haushaltsberatungen 1999 wurde ein entsprechender Antrag der Regenbogen-Gruppe noch abgelehnt, in diesem Jahr wurde er immerhin in den Gesundheitsausschuss überwiesen.

Dass etwas passieren muss, beweist nicht zuletzt, dass Dworsky vor dem Fixstern im Schanzenviertel zwei Wachleute postiert hat, um Crack-KonsumentInnen den Zutritt zu verweigern, weil sie MitarbeiterInnen und NachbarInnen bedroht, bestohlen, angegriffen haben. „Ich sage seit zwei Jahren, dass Crack- und Heroinkonsumenten nicht in einem Raum sein können.“ Denn während die einen ihren Rausch eher in sich erleben, schreien die anderen ihn heraus.

Bislang gibt es nur Ideen für ein Spezialangebot: „Es sollte für maximal 30 Konsumenten sein“, schlägt Dworsky vor. Er stellt sich eine reizarme Umgebung vor, in der es Möglichkeiten zum Chill Out und zur Akupunktur gibt. Mit letzterer hat der Fixstern während eines dreimonatigen Experiments Erfahrungen gemacht: „Das funktioniert phänomenal, es bringt die Leute erheblich entspannter aus der Situation heraus.“

Das bestätigt auch Herbert Villnauer von der Palette, die im Schanzenviertel eine Suchtakupunktur-Ambulanz betreibt. „Zu uns kommen Konsumenten, die einigermaßen stabil sind.“ Die anderen könnte man nur erreichen, indem man, wie es in New York bereits praktiziert wird, mit Nadeln und Isomatten loszieht und die Leute auf der Straße aufsucht.