Irrer Rath ist drei Tore und drei Punkte wert

■ Marcel Rath erzielt alle drei Treffer des müden FC St. Pauli beim 3:2 gegen den LR Ahlen

Nun ist es amtlich: Der FC St. Pauli überwintert auf dem 2. Tabellenplatz der 2. Fußball-Bundesliga. Das war zu Saisonbeginn nicht zu erwarten gewesen, und immer noch wirken die Angestellten des Vereins, die auf dem Feld ebenso wie die Verantwortlichen oder auf der Geschäftsstelle wie in Trance, wenn man sie darauf anspricht. Glänzende Augen, Gemurmel vom „Wunder am Millerntor“ und dem „Wahnsinn, dass man das alles erleben darf“. Dieser Wahnsinn hat seit gestern einen Namen: Marcel Rath.

Nicht nur, dass der 25-Jährige beim 3:2 über den LR Ahlen alle drei Tore des FC St. Pauli erzielte. Die Art und Weise, wie er traf und wie er seinen Fußball spielt, rechtfertigt es, ihn als Irren zu bezeichnen. Rath hat nie Angst. Selbst wenn er sieht, dass sein Gegenspieler aus fünf Metern mit gestrecktem Bein angerutscht kommt, um ihm die Stollen in den Oberschenkel zu rammen, geht er trotzdem zum Ball. Stets hat man den Eindruck, da möchte einer auf dem Platz sterben, oder, wenn das nicht klappt, zumindest mit der Invalidenmedaille an der Brust an der Außenlinie stehen.

Nachdem gestern das 1:0 – ein schöner, direkter Spielzug über Thomas Meggle und Nico Patschinski – und das 2:1 – nach einem abgefälschten Freistoß von Markus Lotter reagierte der Stürmer am schnellsten – nicht zum Sieg gereicht hatten, dachte Rath sogar strategisch. Zunächst verletzte er Dirk Schuster, ehemaliger Nationalspieler und Unsympath beim Karlsruher SC, durch einen Gewaltschuss so stark am Fuß, dass der nicht mehr sprinten konnte. Diese Schwäche nutzte Rath zwei Minuten später aus, als er zielstrebig auf den Lädierten zurannte, ihn umdribbelte und ungestört das entscheidende Tor erzielte.

Letztlich kann sich der FC St. Pauli bei seinem Angreifer bedanken, dass die Serie von inzwischen elf Spielen ohne Niederlage gehalten hat. Nach den beiden schweren Aufgaben bei Hannover 96 und gegen den 1. FC Nürnberg unter der Woche war das Team zu müde, um gegen die Ahlener spielerisch so überzeugend aufzutreten wie in den vergangenen Partien. Vor allem das Mittelfeld war überfordert, wenn es um den konsequenten Spielaufbau ging. Thomas Meggle, Markus Lotter und Henning Bürger geht zur Winterpause hin langsam die Luft aus, und die Flügelflitzer Christian Rahn und Holger Wehlage brachten kaum einmal eine Flanke in den Strafraum.

Besonders schlimm waren die Ecken: Fast alle wurden in Hüfthöhe nach innen geschlagen und fielen noch vor dem Fünfmeterraum herunter. Ganz als wollten die Spieler sagen: Seht her, selbst dazu bin ich zu schlapp. Einzig der Überraschungslibero des Monats, der Neuzugang Dubravko Kolinger und der wahnsinnige Marcel Rath konnten gestern überzeugen.

Und was plant der Irre jetzt? Zunächst einmal wird auch Rath den zweiten Tabellenplatz und seinen wohlverdienten Weihnachtsurlaub genießen. Ein Kind wird dann auch dabei sein. Nach Spielschluss rannte es auf dem Platz herum. Rath trug es bei der Ehrenrunde auf dem Arm und später aus dem Stadion. Hoffentlich war es das Eigene.

Eberhard Spohd

FC St. Pauli: Weber – Kolinger, Ahlf, Scheinhardt – Wehlage (75. Staczek), Lotter, Meggle (60. Baris), Bürger, Rahn – Rath, Patschinski (60. Klasnic)

LR Ahlen: Langerbein – Vasiljevic (38. Peters) – Daschner, Schuster (75. Krohm) – Rösele (54. Donato), Hamann, Arnold, Sopic, Fengler – Feinbier, Bella

SR: Kircher (Rottenburg) – Z.: 15.487

Tore: 1:0 Rath (15.), 1:1 Feinbier (30.), 2:1 Rath (57.), 2:2 Sopic (71.), 3:2 Rath (78.) Gelbe Karten: Scheinhardt, Meggle, Bürger / Rösele, Sopic