Ohne Klasse Spitze

Schalke 04 gewinnt nicht in Köln, darf nach dem pechlichen 2:2 aber weiter Höhenluft schnuppern

KÖLN taz ■ Die Männer, die sich weigern von Meisterschaft zu reden, waren sauer. Sehr sauer. Denn Tiefstapelei ist das eine, das andere aber ist, dass am liebsten tiefstapelt, wer mal wieder locker gewonnen hat. Nur dann, wenn überhaupt, wirkt ja demonstrative Demut halbwegs glaubwürdig und nicht völlig lächerlich. Gerade aber hatte der FC Schalke 04 binnen drei Minuten einen Sieg verschenkt und die königsblaue Laune war getrübt. „Wir müssen dieses Spiel ganz klar gewinnen“, sagte Andreas Möller, verwies auf „so viele erfahrene Leute“ im Team und folgerte: „Da gibt es keine Entschuldigung, das sind zwei verlorene Punkte.“

Tatsächlich hatte Möllers Mannschaft beim Aufsteiger 1. FC Köln lange wie der sichere Sieger ausgesehen. Souverän und kontrolliert spielte die als Herbstmeister angereiste Elf vor 41.000 Zuschauern und auf einem Geläuf, das tief war und nur stellenweise einen Hauch von Grün zeigte. Denn es geht dem Rasen in Müngersdorf wie den Fußballern überall im Land: Er kann und mag nicht mehr und wartet dringend auf die Winterpause.

Das ließ sich auch von der Kölner Mannschaft sagen, die auf diesem Rasen immerhin eine bemerkenswerte Hinrunde als zweitbeste Heimmannschaft der Liga absolviert hatte. Nach zwei passablen Chancen in den ersten drei Minuten jedoch waren die Spieler beim letzten Auftritt des Jahres „körperlich kaputt“ (Jens Keller). Schalke, zweitbeste Auswärtsmannschaft der Hinrunde, spielte effektiver und ging mit seiner ersten Chance nach elf Minuten in Führung. Zur Abwechslung und allgemeinen Überraschung schoss Jörg Böhme sein sechstes Saisontor mit rechts. Vier Chancen und 23 Minuten später überraschte der oft glücklose Asamoah mit dem 2:0.

So überlegen spielte Schalke zunächst auch in der zweiten Hälfte, dass Ewald Lienen später eine kleine Eloge auf die Gäste anstimmte. Die seien „mit Abstand die stärkste Mannschaft, die sich hier in dieser Saison präsentiert hat“, sagte der Kölner Trainer. Und in Müngersdorf waren mit Bayern, Dortmund und Leverkusen außer Berlin schon alle anderen Teams zu Gast, die im Plätzchen-wechsel-dich-Spiel an der Spitze mitmachen. Ist also das Wir-sind-keine-Spitzenmannschaft-Schalke vielleicht doch ein Titelkandidat? „Unserer Mannschaft fehlt nicht so viel“, meint inzwischen fast verwegen Trainer Huub Stevens, schränkte aber ein: „Ich schätze die anderen stärker ein.“

Und es nützt ja auch nichts, wenn der gegnerische Trainer lobt, dass „Schalke uns spielerisch überlegen war“, hingegen „wir eigentlich keine Chance“ hatten, wenn es am Ende trotzdem 2:2 steht. Es war Donkov, der die erste Kölner Chance der zweiten Halbzeit (72.) nutzte. Cullmann köpfte kurz darauf den Ausgleich. Lienen analysierte knapp: „Glück gehabt.“ Dass kurz darauf Voigt Gelb-Rot sah, brachte Schalke zwar noch Überzahl, aber keinen Torerfolg mehr. Rudi Assauer nölte reflexartig: „Eine klasse Mannschaft gewinnt das Spiel.“ Noch ungehaltener war Schalkes Manager allerdings, dass weder Linienrichter Schütz noch Schiedsrichter Fandel ein bis auf die oberen Tribünenränge recht gut sichtbares Handspiel des Kölner Liberos Cichon erkannt hatten. Es gab also in der 83. Minute keinen Elfmeter und mithin auch kein Elfmetertor. Dafür aber einen Assauer, der Verschwörung witterte: „Anscheinend will uns keiner oben sehen.“

Wenn dem so sein sollte, ist die Unterminierung jedweder geheimer Schalker Ambitionen allerdings gescheitert. Schalke hat auch sieglos den Winter- oder, wenn man es lieber mag, Weihnachtsmeistertitel geschenkt bekommen. So wie es aussieht in dieser Liga in dieser Saison, braucht man für den Titel gar keine klasse Mannschaft zu sein. KATRIN WEBER-KLÜVER

1. FC Köln: Pröll - Sichone, Cichon, Keller - Cullmann, Voigt, Lottner, Springer (54. Arweladse) - Scherz, Kurth (68. Donkov), Timm (90. Kreuz) Schalke 04: Reck - Hajto, Waldoch, Van Kerckhoven - Latal, Van Hoogdalem (72. Büskens), Möller, Nemec, Böhme - Sand, Asamoah (65. Mpenza) Zuschauer: 41.000; Tore: 0:1 Böhme (12.), 0:2 Asamoah (34.), 1:2 Donkov (72.), 2:2 Cullmann (75.) Gelb-rote Karte: Voigt (78.) wegen wiederholten Foulspiels