HAIDERS BESUCH BEIM PAPST: ALLSEITS EIN GEÜBTES SPIEL MIT SYMBOLEN
: Haider stört, Bossi nicht

Viele dialektische Verrenkungen – auf diese Kurzformel lässt sich die Haider-Reise nach Rom bringen. Da war zunächst der Vatikan. Absagen mochte er die Einladung nicht. Einen ordentlichen Empfang bereiten mochte die Kurie dem unbequemen Gast aber genauso wenig. So war das Protokoll mit diplomatischen Unhöflichkeiten gespickt: kein Foto, keine Aufnahmen des Vatikan-TV-Teams, stattdessen päpstliche Stellungnahmen gegen den Rassismus. So gewunden die Haltung erscheinen mag, so klar ist die Botschaft. Mit einem Haider macht sich der Vatikan nicht gemein – doch der Papst empfängt, wen er will, ob das Italiens Politikern, ob das der Öffentlichkeit nun schmeckt oder nicht.

Von feiner Dialektik auch war die Haltung der italienischen Regierung. Nicht ihr Gast sei Haider, sondern der des Vatikans, so die offizielle Linie, die den Kärntner quasi zur Persona non grata erklärte. Doch dann durfte Haider sich auf italienische Polizei-Rundumbewachung verlassen. Und er durfte sich über das „Knüppel frei!“ freuen, das die Gegendemonstranten daran hinderte, mit einem Auschwitz-Plakat zu stören. Auch hier war die Botschaft klar: Haider kam Italiens Regierung ungelegen, ungelegener noch kämen den Mitte-links-Kräften aber Verwerfungen mit dem Vatikan.

Dialektisch zeigten sich auch die Anti-Haider-Demonstranten. Sie echauffierten sich mit Recht über den geübten Provokateur, der gegen Einwanderer zeterte und die Nachfahren der Auschwitz-Opfer verspottete. Doch haben die Protestierer mit Umberto Bossi einen Haider im Quadrat zu Hause, der fast im Wochenrhythmus aus „Padanien“ nach Rom anreist und im „Führer“-Stil gegen „freimaurerische Verschwörungen“ des „internationalen Finanzkapitals“ tönt. Bossi hat beste Chancen, bald an Berlusconis Seite mitzuregieren, doch selbst der italienischen Linken scheint er zur politischen Normalität zu gehören. Proteste gegen Haider – schön, gut und notwendig. Doch sie werden zum Ritual, wenn ihnen nicht die Mobilisierung gegen Bossi und Berlusconi folgt. MICHAEL BRAUN