Einfach auf die Straße gekippt

Rollstuhlfahrer nachts auf St. Pauli überfallen  ■ Von Magda Schneider

Menschenverachtung ist ein alltägliches Phänomen in der modernen Ellenbogengesellschaft: Mal richtet es sich gegen Obdachlose, die manche aus dem Stadtbild entfernt sehen wollen; mal richtet es sich gegen Flüchtlinge, die als „Sozialstaatsparasiten“ denunziert werden. Auch Behinderte werden immer häufiger Opfer menschenverachtender Gewalt. Das bekam am Wochenende Andreas Block (*) zu spüren. Ein Unbekannter überfiel den Rollstuhlfahrer, klaute seinen Rucksack und kippte ihn samt Gefährt auf die Straße.

Andreas Block hatte den Freitagabend im Antifa-Café des Kommunikationszentrums „B5“ in der Brigittenstraße auf St. Pauli verbracht. Gegen zwei Uhr nachts machte er sich auf den Heimweg. In der Straße Am Grünen Jäger wurde er plötzlich von einem Mann angegriffen. „Er hat meinen Rollstuhl angefasst und mich nach vorne rausgekippt“, schildert Block der taz hamburg die nächtlichen Schrecksekunden.

Vom Überfall sei er so überrascht gewesen, dass er zunächst überhaupt nicht reagiert habe. „Es gibt nämlich immer wieder mal Leute, die ohne zu fragen meinen Rollstuhl schieben“, erläutert der 32-Jährige. „Es kommt darauf an, wie ich mich fühle, wie ich darauf reagiere.“

„In diesem Fall war ich so perplex, dass ich nicht einmal um Hilfe gerufen habe“, sagt Block. Momente später habe der Unbekannte seinen Rollstuhl einige Meter weggeschoben und dann umgekippt. „Ich lag auf dem Rücken, als er mir den Rucksack entrissen hat.“

Für Andreas Block ist der Fall klar: „Der Angriff galt mir als Behindertem.“ Einen Zufall schließt er aus. „Um einen normalen Taschenräuber hat es sich nicht gehandelt. Wenn es ihm nur um den Rucksack gegangen wäre, hätte er mich nur bedrohen müssen, um ihn zu bekommen“, sagt Block. Auch die Gelegenheitstat eines Junkies scheidet für ihn aus. „Der Mann ist nicht ausgemergelt, sondern von der Statur her in der Blüte seines Lebens gewesen“, beschreibt Block den Täter.

Obwohl Zeugen den Vorfall beobachteten, wären sie nicht einschritten. „Ich habe es alleine geschafft, wieder in den Rollstuhl zu kommen“, so Block: „Es gibt zwar Augenzeugen, die gesehen haben, wie der Mann mit dem Rucksack weggelaufen ist“, rekonstruiert er, „sie wollten sich aber nicht als Zeugen zur Verfügung stellen.“

Daher habe er erst am Wochenende bei der Polizei die Tat angezeigt, die allerdings nach Blocks Eindruck auch wenig Elan zeigte, den Fall schnell aufzuklären: „Die haben nicht mal probiert, mir Fotos vorzulegen, um den Mann wieder zu erkennen.“

(*) Name geändert