Heimat horniger Mädchen

Wie im Schwatzraum Internet alles zum Rätsel wird: Vertiefung, die sie total frei ist

„Große tists. Nizzakolben. Reizende blonds u. reizvolle brunettes. Thats alles?“

„Heimat ist ein großes Wort, da spielt ja so viel rein / auch global – ich meine das Internet – kann eine Heimat sein“, singt Funny van Dannen auf seiner neuen weltzerschmilzenden CD „Melody Star“. Ein mir bekannter junger Mann aus Essen aber, dem das Internet nicht nur Heimat ist, sondern auch Frau, Tisch und Bett, kann einem wirklich Leid tun. Denn nicht nur heimat-, sondern vollends heillos klingt, was er am 12. Dezember unter der Internetadresse http://www.0payment.com/deu/deu.htm als „Absolutes SexSexSex“ vorfand – und es sofort mir überstellte, auf dass ich, im solidarischen Verbund mit den Leserinnen und Lesern dieser Zeitung, das Rätsel löse, das ihn, seitdem er es entdeckte, quält.

Der junge Mann, der darum bittet, anonym bleiben zu dürfen, fand ein vierstufiges Bild- und Textgeheimnis. Bild 1 zeigt eine Frau mit Lutschmund, die fragt: „What am I doing? mmm ...“ Der Text gibt zwar Antwort, aber was für eine: „Hallo, ich bin also hornig, und ich bin gerade, wartend, dass Sie nach innen erhalten. Wir haben über 10,000 Abbildungen und den Kosten, Vertiefung, die sie total frei ist. Mit sehen Sie meinen Körper, ich sind so hornig.“

Hornig, hornig, ich bin so hornig!, rufen Hirsch, Hornbrille und Kamm. Hobbitfüße sind schwartig-hornig, auch Kurt Cobain bezichtigte sich einst des Hornigseins. Aber heutzutage, wer ist da hornig? Vielleicht Frank Hornig, 31, Wirtschaftsredakteur beim Spiegel, der in der aktuellen „Hausmitteilung“ mit einer „Dollhouse“-Stripperin posiert, mit ihr „auf Tuchfühlung“ ging und „Container-Luder Sabrina“ traf, wie es im prahlerisch- drucksigen Spiegel-Jargon heißt? „Da wurde gesoffen, gegrölt und gegrapscht“, schwärmt der Spiegel-Schreiber halbsteif – um dann mit hornigen Händen zuzugrapschen? Man weiß es nicht und möcht es auch nicht wissen.

Bild 2 zeigt die Dame im Aggregatzustand mittlerer Erregtheit. „I want it ... cum see me get it!“, behauptet die Fotozeile, und der nebenstehende Text brunftet: „Hallo, wünsche ich ihn so stark und in einem langen Zeitpunkt ... und wenn Abbildungen nicht genug für Sie sind, wohl gibt es etwas hornige videoaufwartung. Gerade für Sie, über 100 videos und vertrauen Sie mir, Ihnen wünschen Reue es. Hornigster Bildschirm überhaupt, die beutiful Mädchen so, wünschen Sie glauben ihm sogar. Frei!“ Ist das der neueste Dreh aus der Welt der Baggerschulen: Hallo, mein Name ist Heinz Video – darf ich Ihnen meine Aufwartung machen? Morgen in Montevideo? Hornigst? Frei?

„Absolutes SexSexSex“ lässt wenig Zeit für Fragen. Einen leidlich überzeugend vorgetäuschten weiblichen Gesichtsorgasmus gibt es auf Abbildung 3 zu sehen. Mit einem dramatischen „aah! aah! ah! cum se more!“ wird der Betrachter angeherrscht, um beim Lesen des Beistelltextes völlig aus der Kurve zu fliegen: „So 10,000 Abbildungen. Lots Bildschirm. Beste Bilder überhaupt. Hornige Mädchen. Große tists. Nizzakolben. Reizende blonds u. reizvolle brunettes. Thats alles? – keine Weise, unseren Phasenschwätzchenraum vorstellend, geben Ihnen das posibiliti der Sitzung Leute und online plaudern. Dieses ist das hornigste Schwätzchen überhaupt, frei! – überprüfen Sie es heraus!“

Wer beim Übersetzungsprogramm spart, dem wird „nice“ zu „Nice“ zu Nizza – überprüfen Sie es frei heraus, Sie Nizzakolben! Und was ergibt die Rückübersetzung von „tists“ ins Amerikanische? Tist and shout?

Das vierte und letzte Bild zeigt lange Beine auf Stöckelschuhen und den Hinweis „Spioy Sites.com“, und vergleichsweise harmlos geht die Sache zu Ende: „So sind Sie betriebsbereit, das wildeste porn jetzt, zu stationieren für freies zu sehen? – wohl klicken Sie mich dann, um hereinzukommen.“

Der Spanner steht im Pieksedorn / er stiert sediert auf einen Porn / sein Geist ist ganz und gar verworr’n / er träumt im Phasenschwätzchenraum / den feuchten Durchschnittsmännertraum / und träumt von Aktion Lebensborn?

Soll ich das dem jungen Internetler in Essen sagen?

Trost immerhin spendet abermals Funny van Dannen mit seinem Lied „Bitte mach mir ein Kind“: „Manche Männer sind anders, die sind unsozial, / die wollen sich nicht vermehren, das ist denen egal. / Und wenn die Frauen sie bitten, hört man sie verneinen: / Baby, sei mir nicht böse, blas mir lieber einen.“

Nachdem man „Absolutes SexSexSex“ gelesen hat, muss man sich allerdings auch bei so einem charmanten Text fragen: War das Absicht, oder ist das auch nur aus dem Internet übersetzt? WIGLAF DROSTE