Schwere Mission in Berlin

Schimon Stein tritt zu Beginn des Jahres den Posten des israelischen Botschafters in Deutschland an

Wenn Schimon Stein zum Jahresbeginn seinen Posten als israelischer Botschafter in Berlin antritt, erwartet ihn eine Aufgabe, um die ihn keiner beneidet. Der 52-Jährige muss ein Land vertreten, dessen innen- und sicherheitspolitische Lage chaotisch und unklar ist. Er wird schmerzhafte Fragen beantworten müssen zu einer Zeit, in der Israels Image als Besatzungsmacht umstrittener ist denn je.

In Kürze gilt es, die Politik einer neuen Regierung – eventuell nach Regierungs- und Kurswechsel – zu erläutern. Er wird mit seinem charismatischen Vorgänger Avi Primor verglichen werden, der hohe Standards setzte und den bilateralen Beziehungen sechs Jahre seinen Stempel aufdrückte. Überdies wird die Familie ihm nicht zur Seite stehen: Die Tochter steckt im Abitur, der Sohn studiert in Haifa, und Ehefrau Carmela will ihre Karriere als Psychologin im Hadassah-Krankenhaus nicht aufgeben.

Der ehemalige Fallschirmspringer, der im Sechstagekrieg von 1967 und im Jom-Kippur-Krieg von 1973 im Einsatz war, ist Historiker. Dem Jerusalemer Außenministerium trat er 1974 bei. Von 1988 bis 1993 diente er an Israels Botschaft in Washington, die letzten zwei Jahre war er Vizegeneraldirektor der Abteilung GUS, Mittel- und Osteuropa. Deutschland ist ihm nicht neu. Von 1980 bis 1985 war er politischer Attaché in Bonn. „Meine Frau, Tochter von Auschwitz-Überlebenden, zögerte, deutschen Boden zu betreten“, gesteht er. „Dann mussten wir uns daran gewöhnen, uns bei älteren Deutschen immer fragen zu müssen, wo sie im Dritten Reich standen. Die jungen Deutschen hingegen haben uns fasziniert.“ Stein spricht fließend Deutsch. „Nicht gut genug“, meint er. „Ich versuche, die Sprache mit 3sat und deutschen Zeitungen aufzupolieren.“

Stein sieht sich weniger als Vertreter des jüdischen Volkes denn als Botschafter seines Staates einschließlich des arabischen Bevölkerungsanteils: „Ein arabischer Minister wäre denkbar, seit wir mit Nawaf Massalcha einen arabischen Vizeaußenminister haben.“ Rechtsradikalismus und Antisemitismus in Europa bereiten ihm Sorgen. Er glaubt, gerade Deutschland müsse wegen seiner Vergangenheit auf der Hut sein. Er will das Spektrum bilateraler Kontakte erhalten, die technologischen, wissenschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen. Er bekräftigt auch Verständnis für Deutschlands Interessen in der Region. „Die neue israelische Dimension schließt die Palästinenser ein. Wir sind daran interessiert, dass auch Europa den Palästinensern hilft, ihre wirtschaftliche Bürde zu tragen.“

ANNE PONGER