Österreichs Justiz wehrt sich gegen FPÖ

Richter und Staatsanwälte sehen ihre Unabhängigkeit durch FPÖ-Attacken gegen Ermittler in der Spitzelaffäre bedroht

WIEN taz ■ Österreichs Richter und Staatsanwälte haben sich mit einem offenen Brief gegen „unverhüllte politische Einflussnahme“ zur Wehr gesetzt. Über 1.300 Justizfunktionäre, das sind mehr als zwei Drittel der rund 1.600 Richter und Richterinnen sowie 200 Staatsanwälte und -anwältinnen, protestierten gegen anhaltende „Versuche, die Justiz der Politik dienstbar zu machen“. Obwohl die FPÖ in dem Schreiben nicht ausdrücklich angesprochen wird, weiß jeder, dass sie gemeint ist. Denn FPÖ-Führer haben in den vergangenen Wochen immer wieder die Untersuchungen in der Spitzelaffaire duch Diffamierung der Ermittler zu stoppen versucht.

Hohe FPÖ-Funktionäre, darunter Exparteichef Jörg Haider, werden verdächtigt, über freiheitliche Polizeibeamte ein illegales Informationssystem im Sicherheitsapparat aufgezogen zu haben. Der Skandal könnte Parteigrößen hinter Gitter bringen und hat die FPÖ in die größte Krise seit ihrem Regierungseintritt im Februar gestürzt.

Die sieggewohnten Freiheitlichen reagieren auf die Ermittlungen hysterisch. „Gestapo-Methoden“ witterte der Salzbuger FPÖ-Vorsitzende Karl Schnell. Richter Stefan Erdai „hat sie nicht alle“, wetterte Fraktionschef Peter Westenthaler und sah eine Verschwörung „von roten Genossen“ in der Justiz. Justizminister Dieter Böhmdorfer solle von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen und die Ermittler zurückpfeifen. Böhmdorfer wird sich hüten, steht er doch als früherer FPÖ-Anwalt seit Amtsantritt unter Dauerfeuer der Opposition. Eine Intervention würde er politisch nicht überleben.

Für Erwin Felzmann, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, bewegen sich die Forderungen der FPÖ nicht mehr auf dem Boden der Gesetze: „Es ist ein Grundprinzip der Verfassung, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf.“ RALF LEONHARD